Foto: AOK Nordost

150. Geburtstag von Lydia Rabinowitsch-Kempner: Tuberkuloseforscherin und engagiert bei der Gründung des DÄB

Am 22. August ist der 150. Geburtstag der Vorreiterin in der Mikrobiologie. Obwohl keine Ärztin, war sie bei der Gründungsveranstaltung des DÄB – damals „Bund Deutscher Ärztinnen“ – am 24. Oktober 1924 in Berlin dabei und wurde als Ehrenmitglied aufgenommen. Eine Würdigung.

Schon im Sommer 1924 hatte der Internationale Ärztinnenbund eine deutsche Delegation, bestehend aus Mitgliedern des provisorischen Vorstands und der hochangesehenen Tuberkuloseforscherin Lydia Rabinowitsch-Kempner, in England willkommen geheißen. Sie waren nach der Erinnerung (eingef.: der Vorsitzenden des provisorischen Vorstands) Hermine Heusler-Edenhuizens die ersten Deutschen, die nach Kriegs­ende offiziell englischen Boden betraten. Das schrieb Johanna Bleker in der Festschrift des DÄB zum 75-jährigen Bestehen.

Gründungsversammlung 1924: Lydia Rabinowitsch-Kempner (1. Reihe li.)
Foto: Vierteljahrsschrift des Bundes Deutscher Ärztinnen, 1. Jahrgang 1924/25, Heft 3

Offenbar verbanden sie und die Ärztinnen gemeinsame Interessen. Unter anderem schrieb die Bakteriologin in der ersten Ausgabe der Zeitschrift „Die Ärztin“ einen Artikel über „Ärztinnen und Tuberkulosebekämpfung“.

Weltweit gefragte Expertin

Lydia Rabinowitsch wurde als Tochter einer jüdischen Fabri­kantenfamilie 1871 in Litauen geboren. Zum Studium von Zoologie und Botanik ging sie in die Schweiz, promovierte und wurde anschließend als unbezahlte Assistentin von Robert Koch am Institut für Infektionskrankheiten in Berlin aufgenommen. Dort widmete sie sich vor allem der Erforschung der Tuberku­lose. Als eine der ersten Bakteriologinnen aus der Schule Kochs war sie weltweit gefragt. Von 1895 bis 1898 leitete sie am Woman's Medical College Philadelphia/USA ein Bakteriologisches Laboratorium und wurde zur Professorin ernannt. Durch die Heirat mit ihrem Kollegen Dr. Walter Kempner kehrte sie allerdings nach Berlin zurück und trat die Professur nicht an. Parallel zu weiterer Forschungstätigkeit am Institut für Infektionskrankheiten und am Pathologischen Institut der Charité bekam sie ihre 3 Kinder. Um 1904 arbeitete sie intensiv an den Übertragungswegen der Tuberkulose über Rohmilch.

Zweite Professorin Deutschlands

1912 wurde ihr als zweite Frau in Deutschland der Professoren­titel verliehen. Sie erkannte Zusammenhänge, die offenbar keiner ihrer männlichen Kollegen in Erwägung zog: beispielsweise, dass von der „Säuglingsmilch“ die Gefahr der Übertragung von TBC ausging. Auch ein weiteres Interesse des Bundes Deutscher Ärztinnen, die Unterstützung von jungen Medizinerinnen, passte zu ihrem persönlichen Engagement. So gründete sie den „Verein zur Gewährung zinsfreier Darlehen für studierende Frauen“ und leitete eine Stiftung für Medizinstudentinnen, welche durch die Rabinowitsch-Förderung der Charité für promovierende und habilitierende Wissenschaft­lerinnen seit 2007 eine Fortsetzung erfährt.

Rabinowitsch war 1920 bis 1934 Leiterin der Bakteriologischen Abteilung am Krankenhaus Moabit/Berlin, musste aber unter dem Nazi-Regime ihre Arbeit aufgeben. Sie starb am 03. August 1935 in Berlin Lichterfelde.

Dr. med. Katharina Graffmann-Weschke studierte nach ihrer Krankenpflegeausbildung Medizin und nach ärztlicher Tätigkeit Public Health an der FU Berlin. 2007 wirkte sie am Nationalen Aktionsplan Prävention mit. Sie gründete 2016 die AOK Pflege Akademie der AOK Nordost. Derzeit ist sie zu Pflegethemen am Kompetenznetz Public Health zu COVID-19 beteiligt.

E-Mail: katharina.graffmann-weschke@nordost.aok.de
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