2020 wird Familienfreundlichkeit als Teil der Unternehmenskultur verstanden

Dr. med. Inke-Iria Bruns | Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, National Secretary des Deutschen Ärztinnenbundes

Die wichtigste Aufgabe der kommenden Jahre wird sein, Familienfreundlichkeit als Teil der Unternehmensstruktur zu verstehen. Eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung im Krankenhaus ist dabei die wichtigste Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es sollte Betriebskindertagesstätten geben, die den Arbeitsbedingungen in einem Krankenhaus angepasst sind. Väter dürfen nicht mehr belächelt werden, sondern stoßen auf Akzeptanz, wenn sie sich aktiv an der Kinderbetreuung beteiligen wollen.

Die Schaffung familienfreundlicher Arbeitsbedingungen gehört zu den wichtigsten Zukunftsaufgaben eines Krankenhauses. Nur so wird die zunehmende Flucht junger Ärztinnen und Ärzte aus der kurativen Medizin und ins Ausland zu stoppen sein. Bis spätestens 2020 sollten familienfreundliche Arbeitsbedingungen zu einer größeren Motivation und Zufriedenheit von Ärztinnen und Ärzten beitragen. Eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung im Krankenhaus ist meiner Meinung nach die wichtigste Vorraussetzung für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Durch geringere Personalfluktuationen, frühere Rückkehr aus der Elternzeit und geringere Fehlzeiten ergibt sich neben zufriedeneren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein positiver Kosten-Nutzen-Effekt für den Krankenhausträger.

In einem familienfreundlichen Krankenhaus sollte es Betriebskindertagesstätten geben, die über Öffnungszeiten verfügen, die den Arbeitsbedingungen (Schichtdienste, Nachtdienste) in einem Krankenhaus angepasst sind, d.h. auch an Wochenenden, Feiertagen und in den Schulferien zur Verfügung stehen. Die Möglichkeit, gemeinsam mit den Kindern Mittag zu essen, eine Hausaufgabenbetreuung für Schulkinder, eine Notfallbetreuung im Krankheitsfall, sowie die Kooperation mit Tagesmüttern und externen Einrichtung sind wünschenswerte Ergänzungen.

Ziel müsste es sein, die für die Vereinbarkeit essentielle Flexibilität und Planbarkeit der Arbeitszeit zu gewährleisten, die Vermeidung und den Abbau von Überstunden zu fördern, flexible Arbeitszeitmodelle nicht nur anzubieten sondern auch wertzuschätzen. Eine strukturierte Weiterbildung und auch die operative Ausbildung müssten in Teilzeit problemlos möglich sein. In regelmäßig stattfindenden Zielvereinbarungsgesprächen würde nicht nur die berufliche sondern auch die familiäre Situation berücksichtigt.

Väter dürften nicht mehr belächelt werden, sondern auf Akzeptanz stoßen, wenn sie sich aktiv an der Kinderbetreuung beteiligen wollen. Ärztinnen und Ärzte sollten Elternzeit nehmen können, ohne Karriereeinbußen fürchten zu müssen. Der Arbeitgeber sollte versuchen, durch Wiedereinstiegs und Kontakthalteprogramme, zum Beispiel durch Einladungen zu Fortbildungen und Betriebsfeiern während der Elternzeit, einer Dequalifizierung entgegenzuwirken und den Wiedereinstieg in das Berufsleben zu erleichtern. Frauen in Führungspositionen in Klinik und Wissenschaft sollten als positive Rollenbeispiele in größerer Zahl zur Verfügung stehen und junge Kolleginnen dazu ermutigen, Karriereziele zu verwirklichen. Mutterschutzrichtlinien könnten gelockert werden und schwangeren Ärztinnen ermöglicht, ihre Facharztausbildung fortzuführen. Selbstverständlich dürften sich familienfreundliche Arbeitsbedingungen in Kliniken nicht nur auf die Kinderbetreuung beziehen, sondern auch die Betreuung und Pflege von Angehörigen mit einbeziehen und unabhängig vom Familienstand bessere Arbeitsbedingungen für alle Ärztinnen und Ärzte schaffen. Die wichtigste Aufgabe der kommenden Jahre wird es sein, Familienfreundlichkeit als Teil der Unternehmensstruktur zu verstehen und in den Köpfen von Führungspersonal und Geschäftsführung zu verankern.
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