BMG-Gutachten zur geschlechtersensiblen Lehre mit DÄB-Beteiligung: Integration von Genderfragen ins Medizinstudium absolut unzureichend

Pressemitteilung
11.01.2021
Wie steht es um das Genderwissen in der Ausbildung von Gesundheitsberufen? Zu diesem Thema hat das Bundesministerium für Gesundheit ein Forschungsprojekt finanziert. Das entsprechende Gutachten ist nun verfügbar. „Soweit es die Humanmedizin betrifft, ist die Vermittlung von geschlechtersensiblem Wissen an den Universitäten leider absolut unzureichend“, berichtet Prof. Dr. Gabriele Kaczmarczyk. Die Vizepräsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. (DÄB) gehört zu den Autorinnen des Projekts, das von der Charité-Universitätsmedizin Berlin und dem DÄB gemeinsam bearbeitet wurde. Ein zentrales Ergebnis: An 70,4 Prozent der medizinischen Fakultäten in Deutschland werden Medizinstudierende nur punktuell in einzelnen Lehrveranstaltungen auf die Geschlechterunterschiede bei Krankheiten, Symptomen und Therapien aufmerksam gemacht wird.

„Das ist ernüchternd“, kommentiert Kaczmarczyk. „Den Studierenden selbst ist die Bedeutung der Gendermedizin für die Qualität der medizinischen Versorgung inzwischen oft bewusst.“ Das hatte eine Umfrage des DÄB unter Medizinstudentinnen im vergangenen Jahr ergeben. Sie wünschen sich mehr genderspezifische Inhalte im Studium. Das Forschungsprojekt zeigt nun, dass in den Modell- und Reformstudiengängen die Integration von geschlechtersensiblen Inhalten häufiger gelungen ist als in den traditionellen Regelstudiengängen – wenn auch selbst hier nur bei rund der Hälfte solcher Fakultäten.

Das Gutachten erbrachte auch Hinweise, woran es bei der Lehre von Gendermedizin hapert: Als maßgebliche Barrieren wurden eine mangelnde Bereitschaft beziehungsweise ein geringes Problembewusstsein der Lehrkräfte genannt sowie deren fehlende Qualifizierung. Auch werden Genderaspekte in den einschlägigen Fach- und Lehrbüchern der medizinischen Fächer bisher nicht systematisch berücksichtigt. „Unsere Forschungsarbeit kommt zu dem Ergebnis, dass im Bereich Gendermedizin neue Professuren geschaffen werden sollten“, sagt Kaczmarczyk. Ein Anliegen, das der DÄB seit vielen Jahren verfolgt.

Weiter zeigte sich, dass Datenbanken und E-Learning- Plattformen zur Bereitstellung von Unterrichtsmaterialien und Veranstaltungen zur Fort- und Weiterbildung als hilfreich empfunden werden. Die Autorinnen regen außerdem an, die Approbationsordnung neu zu ordnen und geschlechtersensible Lernziele aus dem Nationalen Lernzielkatalog Medizin (NKLM) in den Gegenstandskatalog (GK) und die Prüfungsfragen des IMPP zu übernehmen. Das könnte den Prozess der Integration von geschlechtersensiblen Aspekten maßgeblich vorantreiben.

Das Gutachten trägt folgenden Namen: „Aktueller Stand der Integration von Aspekten der Geschlechtersensibilität und des Geschlechterwissens in Rahmenlehr- und Ausbildungsrahmenpläne, Ausbildungskonzepte, -curricula und Lernzielkataloge für Beschäftigte im Gesundheitswesen“. Die Datenerhebung erfolgte als Online-Umfrage gerichtet an 35 Prozent aller Schulleiterinnen und Studienleiter der Ausbildungsstätten in Deutschland, randomisiert nach Einwohnerzahl des Bundeslandes, und an alle Studiendekaninnen und Studiendekane der humanmedizinischen Universitäten. Die Rücklaufquote betrug 75,6 Prozent für die medizinischen Fakultäten, 52,5 Prozent für die Gesundheits- und Krankenpflege- und 54,6 Prozent für die Physiotherapieschulen.

Das Gutachten finden Sie als pdf im Anhang sowie auf der Website des Bundesgesundheitsministeriums.
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