DÄB-Umfrage zum Topsharing in Radiologie und Nuklearmedizin: Erste Ergebnisse

Warum ist der Anteil der Ärztinnen in Führungspositionen so gering? Der DÄB möchte es genauer wissen und hat eine Umfrage in Fächern initiiert, die unserer Meinung nach über gute Voraussetzungen verfügen, um dieses Führungsmodell umzusetzen. Unsere Hypothese: Topsharing erleichtert die Vereinbarkeit, so dass mehr Ärztinnen eine realistische Chance sehen, eine Spitzenposition auszufüllen. Stimmt unsere Annahme?

Die Initiatorinnen der Topsharing-Umfrage: Dr. phil. Ulrike Ley (li.) und Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk
Foto: © Silke Rudolph, Fotos mit Herz, Berlin
Zur Vorgeschichte: Die Erhebung des DÄB „Medical Women on Top“ (MWoT) war in ihrem Update von 2022 ernüchternd. Es zeigte sich kein Zuwachs an mit Frauen besetzten Führungspositionen in den wichtigsten klinischen Fächern der Universitätsmedizin. Wie 2019 verharrte der Anteil der Ärztinnen in Führung bei 13 Prozent. Es gibt zahlreiche Versuche, dieses Defizit bei der Chancengleichheit zu erklären. Die Dokumentation zur MWoT listet die Erkläransätze auf. Vor allem strukturelle und subtile Diskriminierung scheinen möglich. Eine Hauptursache liegt jedoch wahrscheinlich auch in der Unzumutbarkeit der Arbeitsbedingungen an der Spitze der Medizin – eine Zumutung, die Männer offensichtlich derzeit noch eher ertragen können oder auch ertragen möchten als Frauen.

Erste Signale von 2018

Bereits 2018 hatte der DÄB eine erste orientierende Umfrage unter den 138 damals habilitierten Frauen der Inneren Medizin der deutschen Universitätsklini- ken (Oberärztinnen, Privatdozentinnen, Professorinnen in nachgeordneter Stellung) gemacht. Der Rücklauf betrug 70 Prozent und wies auf eine große Bereitschaft hin, als Tandem an der Spitze zu arbeiten (87 Prozent). Auf die Frage „Würden Sie sich auf eine geteilte Spitzenposition bewerben?“ antworteten 76 Prozent: „Ja, egal ob mit einem Mann oder einer Frau.“ 29 Prozent kannten allerdings niemanden, mit dem/mit der sie sich eine gemeinsame Bewerbung vorstellen konnten. Dieses aus einer kleinen Gruppe gewonnene Signal wurde damals in Dekanaten, Berufungskommissionen und anderen verantwortlichen Gremien der medizinischen Fakultäten nicht weiter beachtet. Die Doppelspitze in der Allgemeinmedizin der Medizinischen Fakultät Würzburg (siehe Artikel auf S. 8–9) blieb eine Rarität und zwar eine, die der Initiative der beiden Professorinnen zu verdanken ist. Ausgeschrieben als Doppelspitze war die Position nämlich nicht.

Weitere Hinweise erbrachte eine orientierende, unveröffentlichte Umfrage von 2022 von der Göttinger Gleichstellungsbeauftragten Anja Lipschik. Sie hatte sie auf der Tagung der Kommission Klinika in Berlin vorgestellt. Demnach sind es vor allem für Frauen die Arbeitsbedingungen, die sie vor einer Bewerbung auf eine Führungsposition zurückschrecken ließen. Eine ausgeglichene Work-Life-Balance ist für ein zufriedenes und auch gesundes Leben essenziell und erstrebenswert. Aber Ärztinnen sehen wohl selten einen Weg, sie in einer Spitzenposition zu realisieren. Diesen Weg könnte womöglich das Topsharing er­öffnen.

Die aktuelle Umfrage

Vor diesem Hintergrund wollte der DÄB das Thema Topsharing in der Medizin systematischer erfassen und hat Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk und Dr. phil. Ulrike Ley mit einer Umfrage an Universitätskliniken beauftragt. Unterstützt werden sie von Evelyn Lehmisch-Rambo. Möglich wurde das Projekt mit der finanziellen Unterstützung der Regio­nalgruppen des DÄB. Herzlichen Dank!

In den letzten Monaten haben wir 1026 Personen, Klinikleitern und Klinikleiterinnen, Oberärzten und Oberärztinnen der Fächer der Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie einen Fragebogen geschickt. Für diese Fächer haben wir uns entschieden, weil dort die längere Betreuung von Patientinnen und Patienten nicht zu stark im Vordergrund steht. Die Arbeitsaufgaben in Spitzenpositionen kommen daher wohl denen in anderen Wirtschaftszweigen etwas näher. Außerdem haben wir auch die Frage aufgenommen: „Glauben Sie, dass
bei einer geteilten Spitze die Versorgung der Patient:innen leidet?“

Die Modalitäten


Die E-Mail-Adressen konnten wir weitgehend über die Webseiten identifizieren. Gab es keine, etwa in Mainz und Oldenburg, haben wir telefonisch über die Sekretariate nachgefragt oder diese Personen – es waren 160 – bekamen postalisch die Bitte, uns ihre E-Mail-Adressen mitzuteilen, damit sie in den Verteiler für das Anschreiben mit dem Link zum internetgestützten Fragebogen mit 27 Fragen aufgenommen werden konnten. Es gab drei Aussendungen und häufige Wiederholungen bei Abwesenheit der Adressat:innen. Die Deutsche Röntgengesellschaft hat die Umfrage dankenswerterweise in der Fachgesellschaft zusätzlich publik gemacht.

Der Rücklauf (320 Antworten) war mit knapp 31 Prozent mäßig. Bereinigt ist er wahrscheinlich etwas höher (35 Prozent), weil etwa 100 ausgesandte Anfragen ihre Adressat:innen definitiv nicht erreicht haben. Die Aktion erstreckte sich auf insgesamt 5 Monate. Derzeit läuft die Auswertung und wir werden die Ergebnisse in den nächsten Wochen weiter bearbeiten und veröffentlichen. Einen ersten Einblick können wir bereits geben.

Pro und Kontra Topsharing: Zitate aus der Umfrage

Unsere Umfrage hat viele Einschätzungen erbracht.

Hier finden Sie eine Auswahl: die Stimmen der Befürwortenden auf Gelb, die Gegenargumente auf Lila – immer abwechselnd.
Topsharing wäre eine super Maßnahme, auch um die steilen Hierarchien abzumildern und Gegenspieler auf Augenhöhe zu schaffen.
Leider im hierarchischen deutschen Gesundheitssystem kaum umsetzbar.
Diese Themen müssen neu gedacht werden, die veralteten Strukturen müssen aufgebrochen werden. Es gibt so viel Potenzial, die Versorgung zu verbessern …
Es ist im klinischen Alltag schlecht, wenn ärztliche Versorgung aufgeteilt wird, weil da häufig Patienten mit ihren speziellen Problemen untergehen.
… dringend erforderlich, um nicht die Elite aus den Unikliniken zu verlieren.
Topsharing ist nur ein anderer Begriff für Gehaltskürzung und zeigt dem Mitarbeitenden, dass man ihm/ihr nicht zutraut, eigenverantwortlich eine Stelle auszufüllen.
Außerdem ist Topsharing inhaltlich sinnvoll: Wer kann schon alles alleine am besten.
Sharing heißt immer, nicht komplett da und verantwortlich/zuständig zu sein. Ein bisschen schwanger geht auch nicht.
Teilung von Spitzenpositionen sollte die Zukunft sein. Als Frau und Mutter ist es kaum möglich, in Unikliniken Karriere zu machen.
Wir sollten eine gleichmäßige Verteilung der Spitzenpositionen zwischen Männern und Frauen anstreben, keine halbierten Verantwortlichkeiten.

Erste Ergebnisse

60 Prozent der Befragten konnten sich vorstellen, in einer geteilten Spitzenposition zu arbeiten und würden sich auch entsprechend bewerben. 70 Prozent der befragten Personen sind verheiratet, fast alle haben Kinder zu betreuen und haben zu 60 Prozent auch einen berufstätigen Partner oder eine Partnerin. Über 80 Prozent finden ihre berufliche Belastung manchmal oder dauerhaft hoch – mit durchschnittlich 50 Wochenstunden, die nicht vollkommen ausgeglichen werden. Die organisatorische Einrichtung von geteilten Spitzenpositionen wird allerdings für schwer gehalten, wie auch die notwendig gute Chemie zwischen den Partnern und Partnerinnen nicht selbstverständlich ist. 80 Prozent wären bereit, ihre Lebens­arbeitszeit in einer Spitzenposition zu verlängern.

Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk ist Senior Consultant des DÄB.

E-Mail: gabriele.kaczmarczyk@aerztinnenbund.de
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