Deutscher Ärztinnenbund lehnt Gesetzesänderungen zum
Schwangerschaftsabbruch nach medizinischer Indikation ab

Pressemitteilung
16.03.2009
Anlässlich der heutigen Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages zum Thema "Konfliktsituationen während der Schwangerschaft" und zu den drei vorliegenden Gesetzentwürfen erklärt die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes Dr. Astrid Bühren:

"Als verantwortungsbewusst handelnde Ärztinnen lehnen wir die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen ab. Dass Frauen sich durch Zwangsberatungen, Einhalten von Bedenkzeiten und stärkere Dokumentation eher zum Austragen eines schwer behinderten Kindes entscheiden können, ist für uns als Ärztinnen nur schwer vorstellbar. Späte Schwangerschaftsabbrüche bedeuten eine quälende Gewissensentscheidung für die Frau, die auch Ärztinnen und Ärzte in große Not bringen kann. Frauen, die aufgrund einer möglichen Behinderung des Kindes eine Abtreibung erwägen, können auch ohne die angestrebten Gesetzesänderungen umfassend informiert werden".

Der Deutsche Ärztinnenbund hält spezifische ärztliche Beratungen grundsätzlich für erforderlich - nicht nur nach der Pränataldiagnostik, sondern vor allem auch davor. Dies ist in den Mutterschaftsrichtlinien bisher nicht berücksichtigt. Dr. med. Friederike M. Perl, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe und Mitglied im Vorstand des Deutschen
Ärztinnenbundes betont: "Bei Auffälligkeiten entsteht meist erheblicher Gesprächsbedarf bei der Schwangeren, daher muss die sinnvolle und notwendige Aufklärung vor der Pränatalen Diagnostik auf verantwortlichem ärztlichen Niveau von 45 bis 60 Minuten in die Mutterschaftsrichtlinien aufgenommen und adäquat vergütet werden - ebenso wie gegebenenfalls erforderliche meist mehrfache postdiagnostische Beratungsgespräche". Allen Frauen sollte darüber hinaus dringend eine zusätzliche qualifizierte psychosoziale Beratung angeboten werden. Eine Gesetzesänderung ist dafür nicht erforderlich.

Eine Zwangsberatung ist inhuman, eine rigide 3-tägige Bedenkzeit nur bedingt hilfreich

Spätabbrüche aus medizinischer Indikation betreffen in der Regel erwünschte Schwangerschaften. Hier sind bereits lange, oft schmerzhafte Gespräche der betreuenden Ärztinnen und Ärzte mit den psychisch schwer belasteten Schwangeren und ihren Partnern erfolgt. Dr. med. Gabriele du Bois, Fachärztin für Humangenetik und Regionalgruppenvorsitzende im Deutschen Ärztinnenbund Baden Württemberg: "Zusätzliche Gespräche sollten angeboten, aber nicht erzwungen werden. Schwangere mit einem auffälligen Ergebnis in der Pränataldiagnostik werden darauf hingewiesen, dass sie ihre Entscheidung für oder gegen die Schwangerschaft in Ruhe und möglichst über drei Tage hinweg treffen sollten. Der Verdacht auf eine schwere Störung des Kindes besteht aber oft schon Tage bevor das endgültige Laborergebnis vorliegt. Schwangeren Frauen dann eine Zwangsbedenkzeit aufzuerlegen, erscheint im Einzelfall unzumutbar".

Der Deutsche Ärztinnenbund spricht sich gegen eine Sanktionierung von Ärztinnen und Ärzten und gegen die Aushöhlung der ärztlichen Schweigepflicht aus
Die ärztliche Schweigepflicht darf nicht hinter Transparenz-, Statistik- und Kontroll-Bedürfnissen von Dritten zurücktreten. Auch den betroffenen schwer belasteten Frauen und Familien steht uneingeschränkter Schutz zu. Ein in den Gesetzentwürfen vorgesehenes Bußgeld bei Nichtbefolgung der vorgeschlagenen Leitlinien kriminalisiert die betreuenden Ärztinnen und Ärzte.

Der Deutsche Ärztinnenbund bedauert Schwangerschaftsabbrüche zu jedem Zeitpunkt. Sie zeigen, dass Frauen in unserer Gesellschaft aus unterschiedlichen Gründen keine Möglichkeit sehen, ihre Kinder auszutragen. Ziel der Politik sollte es sein, Frauen und Familien Perspektiven zu bieten, die es ihnen ermöglichen, sich für ein Kind zu entscheiden.
Mehr zum Thema