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Die Unterlagen des DÄB im Helene-Lange-Archiv im Landesarchiv Berlin

Seit 1988 befinden sich Unterlagen des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) als Depositum des Berliner Frauenbundes 1945 e.V. im Landesarchiv Berlin (LAB). Das bedeutet: Sie sind weiterhin Eigentum des Berliner Frauenbundes, werden aber im Archiv dauerhaft verwahrt und können genutzt werden.

Die DÄB-Unterlagen gehören zur Beständegruppe „Frauenvereine und -bestände – Helene-Lange- Archiv (HLA)“ und haben die Bestandsbezeichnung B Rep. 235-08. Benannt nach der Lehrerin, Frauenrechtlerin und Politikerin Helene Lange fasst das HLA mehrere Bestände von Frauenorganisationen und Nachlässe von einzelnen Frauen zusammen. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie innerhalb des gemäßigten Flügels der bürgerlichen Frauenbewegung des späten 19. und vor allem des frühen 20. Jahrhunderts eine wichtige Rolle gespielt haben. Zu nennen sind hier vor allem der 1894 gegründete Dachverband Bund Deutscher Frauenvereine (BDF), der Allgemeine Deutsche Frauenverein (ADF) und der Allgemeine Deutsche Lehrerinnenverein (ADLV).

Hervorgegangen ist das HLA aus der 1911 errichteten Helene-Lange-Stiftung (HLSt), die das Studium von Frauen durch Stipendien an Studentinnen und Druckkostenzuschüsse für Dissertationen förderte. Zwar verlor die Stiftung ihr Vermögen nach dem Ersten Weltkrieg durch die Inflation, bestand jedoch bis 1961 weiter. Sie wurde seit 1933 zum Auffangbecken für das Vermögen von Verbänden und Vereinen der Frauenbe­wegung, die sich – wie unter anderem der BDF – selbst auflösten, um der Gleichschaltung im Nazi-Regime zu entgehen. Denn zum Vermögen jener Organisationen gehörten auch deren Archive und Bibliotheken.

Diese gelangten nach 1945 in den Besitz des neu gegründeten Berliner Frauenbundes 1945 e. V., der sich in die Nachfolge des BDF gestellt hatte. Das HLA befand sich von 1969 bis 1988 im Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) in Berlin-Dahlem und ist seit 1988 im Landesarchiv Berlin untergebracht. Für weitere Informationen zum HLA
siehe unter:
https://landesarchiv-berlin.de/helene-lange-archiv

Vorgänger-Unterlagen verschollen

Bei diesen DÄB-Unterlagen handelt es sich – leider – nur um Schriftgut ab der Neugründung 1950. Unterlagen von der Gründung im Oktober 1924 bis zur Auflösung am 15. Dezember 1937 (da nach der neuen Reichsärzteordnung von April 1936 berufspolitische Verbände nicht mehr vorgesehen waren) müssen als verschollen angesehen werden.

Nach der Übernahme ins LAB 1988 wurden die Akten erstmals verzeichnet und verfilmt. Es werden seitdem zur Schonung der Originale für die Benutzung im Lesesaal nur Mikrofiches zur Verfügung gestellt. Der Bestand umfasst 52 Akten mit einer Laufzeit von 1951 bis 1987 und enthält Satzungen, Mitgliederlisten, Tätigkeits- und Finanzberichte, Materialien und Protokolle von Tagungen, Schriftwechsel, Unterlagen zur Mitgliedschaft des DÄB im Internationalen Ärztinnenbund sowie zur Tätigkeit des Berliner Ärztinnenbundes. Das Findbuch steht unter http://www.content.landesarchiv-berlin.de/php-bestand/brep235-08-pdf/brep235-08.pdf zur Verfügung.

Einsichtnahme möglich

Historische Ausgabe: „Die Ärztin“ ab 1935 ist im Archiv einsehbar
Eine Einsichtnahme in die Akten, in Form von Mikrofiches, ist nach Terminbuchung über die Internetseite des Landesarchivs jederzeit zu den Öffnungszeiten des Lesesaals (Montag bis Freitag von 10–17 Uhr) in Berlin-Reinickendorf möglich. Die vorhandenen Akten werden ergänzt durch die Zeitschrift „(Die) Ärztin“, die sich mit der Signatur HLA-Z 11034 ab dem 11. Jahrgang 1935 – mit Lücken – in der Bibliothek des HLA befindet. Sie ist nach vorheriger Bestellung ebenfalls im Lesesaal des LAB im Original einsehbar. Eine Übersicht, in welchen Bibliotheken sie mit welchen Ausgaben bundesweit noch vorhanden ist, bietet die Zeitschriftendatenbank der Staatsbibliothek PK https://zdb-katalog.de/index.xhtml – hier die Suche mit dem Stichwort Ärztin.

Protokolle, Briefe, Initiativen

Die Unterlagen des DÄB wurden in den vergangenen Jahren vor allem für wissenschaftliche Zwecke genutzt, so unter anderem für biographische Forschungen zu einzelnen Ärztinnen, aber auch zur Geschichte des DÄB nach 1945. Sie werden seit 2022 durch Akten ergänzt, die dem Landesarchiv Berlin vor dem Umzug der Bundesgeschäftsstelle in die Straße des 17. Juni in Berlin-Tiergarten übergeben wurden. Diese Abgabe hatte seit 2019 Dr. med. Regine Rapp-Engels, frühere Präsidentin und Ehrenmitglied des DÄB, vorbereitet und begleitet. Auch diese Akten unterliegen einem zweiten Depositalvertrag, der zwischen dem Landesarchiv Berlin und dem DÄB e. V. geschlossen wurde. Übernommen wurden im Oktober 2022 etwa 150 Aktenordner: unter anderem Vorstandsprotokolle, allgemeine Korrespondenzen sowie Korrespondenzen der einzelnen Vorsitzenden, Satzungen, Presseschau und -spiegel, Mitgliederlisten, „Das Fröhliche Krankenzimmer“, Unterlagen der Regionalgruppen, des MentorinnenNetzwerks und zu Medical Women’s International Association (MWIA). Ebenfalls archiviert sind zahlreiche Broschüren und lose Unterlagen. Der Zeitraum umfasst die Jahre von 1957 bis 2010 und ergänzt damit die Überlieferung, die sich bisher schon im Archiv befindet. Da dieser Teil allerdings erst vor kurzem übernommen wurde, ist er noch nicht archivisch erschlossen und steht für eine Benutzung im Lesesaal, etwa auch für eine wissenschaftliche Auswertung, vorerst noch nicht zur Verfügung.

Weitere Erschließung noch offen

Das HLA ist über eine persönliche Mitgliedschaft im i.d.a.-Dachverband der deutschsprachigen Lesben-/Frauenarchive, -bibliotheken und -dokumenta­tionsstellen organisiert, in dem über 35 Einrichtungen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg und Italien eng zusammenarbeiten. Seit 2015 können die Bestände der i.d.a.-Einrichtungen mit dem META-Katalog vernetzt durchsucht werden. Seit 2018 ermöglicht das Digitale Deutsche Frauenarchiv (DDF) mit den digitalisierten Materialien direkte Einblicke in die Bestände der analogen Einrichtungen. Auch das HLA ist hier mit seinen historischen Beständen bis zirka 1933 vertreten, so dass für die Einsicht in diese Akten kein Besuch im Lesesaal des LAB mehr nötig ist. Dies war vor allem in der Corona-Zeit mit den vielen Einschränkungen eine große Hilfe für die Forschung.

Über die Projektförderung des DDF haben i.d.a.-Einrichtungen jährlich die Möglichkeit, Mittel unter anderem für die Erschließung und Digitalisierung ihrer Bestände zu beantragen. Ob und wenn ja wie dies auch für die beiden DÄB-Bestände angesichts der unterschiedlichen Eigentümerinnen möglich wäre, gilt es in Zusammenarbeit mit der DDF-Geschäftsstelle zu prüfen.

Dr. phil. Susanne Knoblich ist Historikerin, seit 1997 Archivarin im Landesarchiv Berlin und hier unter anderem für das HLA zuständig. Sie ist Mitglied im i.d.a.-Dachverband und arbeitet in verschiedenen Gremien des DDF mit.

E-Mail: knoblich@landesarchiv.berlin.de
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