Dr. Regine Rapp-Engels: "Geschlechtsspezifische Medizin ist zukunftsfähige Medizin für alle – die so genannte Individualisierte Medizin kann sie nicht ersetzen“

Pressemitteilung
28.02.2011
Nach Auffassung des Deutschen Ärztinnenbundes verlangt eine qualitativ hochwertige und ethisch vertretbare Gesundheitsversorgung nach einer klaren Abgrenzung der Geschlechtsspezifischen Medizin von der so genannten Individualisierten Medizin.

Gender Medizin oder genauer - eine nach Geschlecht differenzierende Medizin - steht international für eine Humanmedizin unter geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten mit dem Blick auf soziokulturelle, psychische und besonders auch biologische Unterschiede der Geschlechter. Die Individualisierte Medizin, von der es bisher keine allgemeingültige Definition gibt, verspricht präzisere diagnostische Methoden, auf die einzelne Patientin oder den Patienten zugeschnittene Behandlungen sowie verlässlichere persönliche Prognosen zur Gesundheit. Nach Auffassung des Deutschen Ärztinnenbundes kann die so genannte Individualisierte Medizin eine nach Geschlecht differenzierende Blickweise jedoch nicht ersetzten.

Dr. Regine Rapp-Engels, Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes: "Geschlechtsspezifische Medizin ist keineswegs nur ein Teilbereich der Individualisierten Medizin. Sie ist ein eigenständiger methodischer Ansatz in der Medizin – angefangen bei einer nach Geschlecht differenzierenden Forschung über eine geschlechtsspezifische Diagnostik bis zur entsprechenden Behandlung. Viele Ärztinnen und Ärzte behandeln in diesem Sinne schon lange den ganzen Menschen in seiner Individualität, während allgemein, aber insbesondere in der Arzneimittelforschung der biologische Unterschied gerne negiert oder klein geredet wird. Ich möchte daher ausdrücklich davor warnen, eine nach Geschlecht differenzierende Medizin und Individualisierte Medizin gegeneinander auszuspielen und plädiere dafür, dass die Solidargemeinschaft zunächst einmal die Geschlechtsspezifische Medizin finanzieren und umsetzen sollte. Es ist richtig, dass Frauen und Männer eine auf sie zugeschnittene Therapie brauchen, die nach weiteren Kriterien wie beispielsweise dem Alter differenziert. Dennoch sollte man hier nicht den fünften vor dem ersten Schritt tun und zunächst einmal nach Geschlecht differenzieren."

Protagonisten der Individualisierten Medizin sind zum einen Forscherinnen und Forscher, zum anderen auch die beteiligte Industrie, die sich durch neue Techniken wie Genchips und molekular passgenaue Therapien vor allem ein lukratives Geschäft verspricht. Obwohl Chancen und Risiken der Individualisierten Medizin längst noch nicht ausreichend untersucht sind, wird bereits heute mit dem Slogan "Maßgeschneiderte Therapie statt Gießkanne" geworben.

Dr. Regine Rapp-Engels: "Genau in diese Richtung geht die Geschlechtsspezifische Medizin. Denn auch ohne individuelle Genomanalyse wissen wir, dass bei Frauen und Männern zum Beispiel bestimmte Leber-Enzyme ungleich verteilt sind, die für die unterschiedliche Aufnahme und chemische Umwandlung von Medikamenten verantwortlich sind. Unter diesem Gesichtspunkt kommt eine nach Geschlecht differenzierende Medizin mit deutlich weniger Aufwand und geringeren Kosten der breiten Bevölkerung, d.h. Millionen von Frauen und Männern zugute."

Veranstaltungshinweis: Am Mittwoch, den 2.3.2011 wird die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Dr. Regine Rapp-Engels, an einer Podiumsdiskussion zu der Fragestellung "Gender Medizin macht bessere Medizin für alle möglich?" im Deutsches Herzzentrum Berlin teilnehmen. Die Veranstaltung wird vom Deutschen Ärztinnenbund unterstützt. Weitere Informationen unter Gendermed.info
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