Geschlechtsspezifische Unterschiede bei Corona-Infektionen: Die Spur führt ins Immunsystem

In der Diskussion um die Folgen der Corona-Pandemie haben sozioökonomische Genderdifferenzen inzwischen eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit erlangt. Die Medizin fängt jedoch gerade erst an, geschlechtsbedingte Unterschiede im Krankheitsverlauf zu identifizieren.

Mit dem Fortschreiten der Co­rona-Pandemie wird immer deutlicher, dass Frauen die Hauptlast der notwendigen und nach­teiligen coronabedingten (ein neuer Begriff im Wortschatz!) Veränderungen tragen – ob gewollt oder nicht. Dazu existieren viele Studien und sie kommen alle mehr oder weniger zu den gleichen Schlussfolgerungen über die sozialen und ökonomischen Folgen der geschlechtsspezifisch unterschiedlich verteilten Arbeits- und Betreuungsarbeit. Kaum Material liefert jedoch die Suche nach konkreten, wissenschaftlich fundierten Ergebnissen zum Thema „Medizin: Corona und Gender“.

Wunder Punkt: Interferone
Vielleicht können zwei aktuelle Studien (Science 2020; DOI:10.1126/science. abd4570 und dito 4585, Team um Jean-Laurant Casanova) einen Beitrag zum Wissen um die Geschlechtsunterschiede in der Ätiologie und Pathophysiologie der Virusinfektion leisten. Auffällig ist, dass Männer häufig schwerer an COVID-19 erkranken. Laut Robert Koch-In­stitut sterben auch mehr Männer – 55 Prozent – im Vergleich zu Frauen. Der Schwerpunkt der Arbeit des US-ameri­kanischen Forscherteams um Casanova widmet sich den Unterschieden der genetisch bedingten Immunabwehr, bei der die Interferone als Vertreter der Zytokine wesentliche Bedeutung zu haben scheinen.

Dabei ist es wichtig, zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden! Eine Störung des Typ1-Interferons könnte nach ersten Ergebnissen von fast 1000 Patienten und Patientinnen eines der Rätsel des schwereren Krankheitsverlaufs – oft mit Todesfolge – bei Männern klären. Männer (Anteil 94 %) haben erheblich häufiger als Frauen Autoantikörper, die die Interferone angreifen und ihre Funk­tion beeinträchtigen. Erste Analysen – freilich noch mit sehr geringer Fallzahl – weisen außerdem darauf hin, dass ebenfalls vor allem Männer Genmutationen in sich tragen, die die Bildung von Interferonen behindern.

Ein Forscherteam der Yale-Universität in den USA (https://doi.org/10.1038/s41586-020-2700-3) um Professorin Akiko Iwasaki ist dem Rätsel der schwereren Erkrankung bei Männern ebenfalls auf der Spur. Sie stellten fest, dass Männer einen erheblich höheren Plasmawert bestimmter Zytokine (IL-8, von T-Zellen sezerniert, und IL-18, von aktivierten Makrophagen gebildet) bei der Infektion aufweisen. Sie prägten dafür den Begriff „Zytokinsturm“. Die Stoffe wirken nicht mehr schützend, sondern inflammatorisch, vor allem in der Lunge.

Impfung: Gleich für sie und ihn?
Fernerhin scheint inzwischen gesichert, dass die T-Zell-Antworten auf eine In­fektion und die Konzentration des An­giotensin-II-Rezeptors in der Lunge geschlechtsspezifisch unterschiedlich sind. Es gilt als sicher, dass Unterschiede im Immunsystem zwischen Männern und Frauen für die Geschlechterdifferenzen bei Corona-Infektionen mitverantwortlich sind. Darum bleibt abzuwarten, inwieweit diese Tatsache geschlechtsspezifische Effekte bei einer Corona-Impfung bedingt.

Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk ist Vizepräsidentin des DÄB.

E-Mail: gabriele.kaczmarczyk@aerztinnenbund.de
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