Hintergrund zum Projekt Ärztin 2020: Was der DÄB dem Drohgespenst der Feminisierung entgegensetzte

2010 wurde der Begriff der „Feminisierung der Medizin“ etabliert – und der wachsende Anteil von Frauen im ärztlichen Beruf für einen drohenden Ärztemangel mitverantwortlich gemacht. Das bedeutete Handlungsbedarf für den DÄB. Das „Projekt Ärztin 2020 – Perspektiven für Ärztinnen von morgen“ repräsentiertseither die Forderungen und Visionen, die Ärztinnen für den Berufsstand entwickeln.

Nach der sogenannten Ärzteschwemme in den 1980er und 1990er Jahren zeichnete sich in den 2000er Jahren zunehmend ein Ärztemangel ab. Er war 2002 erstmals prognostiziert worden und 2007 hatten ihn Studien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Bun­des­ärztekammer (BÄK) verifiziert. Politik und Krankenkassen bestritten den Ärztemangel jedoch wegen gestiegener Arztzahlen vehement.

Die Jahresstatistik der BÄK für 2009 differenzierte erstmalig nach Geschlecht – und erfüllte eine alte DÄB-Forderung. In der 5. Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlentwicklung der BÄK und KBV im August 2010 bezogen sich jedoch fast alle Aussagen auf Ärzte ohne Geschlechtsdifferenzierung. Ein Extra-Kapitel widmete sich der ärztinnenspezifischen Betrachtung, also dem Blick auf das Andere im Allgemeingültigen.

Mehr Frauen, schlechtere Versorgung?
Das Fazit der Studie: Die medizinische Profession werde zunehmend weiblich. Der Anteil der Ärztinnen habe seit 1991 dramatisch zugenommen. Konkret stieg dieser in 18 Jahren von 33,6 Prozent auf 42,2 Prozent. Der Trend werde sich verstärken aufgrund der 61,3 Prozent weiblichen Medizinstudenten. Damit aber verändere sich nicht nur der Stil der Medizin, sondern auch „das angebotene Arbeitsvolumen“, denn die geleistete Wochenarbeitszeit der berufstätigen Ärztinnen sei deutlich niedriger als die der Ärzte.

Und so wurde der Begriff „Feminisierung der Medizin“ eta­bliert – als eine von fünf Ursachen für das Paradoxon eines Ärztemangels bei zeitgleich wachsenden Arztzahlen. Führende Ärztefunktionäre postulierten, dass der steigende Anteil an Ärztinnen die Versorgung verschlechtere. Beim 114. Deutschen Ärztetag (DÄT) 2011 sollte ein Schwerpunkt der Beratungen das sogenannte Versorgungsgesetz sein – vor allem zur Regulierung des Ärztemangels. Das war der Ort und der Zeitpunkt, um als Ärztinnen sichtbar zu werden und aktiv Mitgestaltung einzufordern: Ja, die Zukunft der Medizin ist weiblich und wir lassen das nicht als „Feminisierung“ pathologisieren. Wir wollen nicht, dass über uns, sondern, dass mit uns geredet wird, denn wir können uns selbst vertreten. Wir Ärztinnen denken mit, wir entwickeln Perspektiven und Visionen für Ärztinnen und Ärzte. Wir übernehmen Verantwortung.

In diesem Zusammenhang war wichtig, dass ich als amtierende DÄB-Präsidentin für einen der beiden zu besetzenden weiteren – also nicht an eine Kammerpräsidentschaft geknüpften – Sitze im BÄK-Vorstand kandidierte. Diese Sitze waren ursprünglich für unterrepräsentierte Gruppen gedacht. Einen davon hat dann erfreulicherweise Dr. Ellen Lundershausen erkämpft.

Meine persönlichen Erfahrungen
Der Aufschlag beim DÄT war gelungen, nach außen wurden die Ärztinnen und der DÄB gut wahrgenommen. Persönlich hat mir das bis heute Empfindlichkeiten eines Herrn beschert, da er mich von einer Gegenkandidatur erfolglos abzuhalten versuchte. Die Frauensolidarität in der Wahlsituation war leider nicht immer gegeben, gleichzeitig hatte ich erfreuliche bis heute anhaltende Begegnungen. Ich bin durch diese Kandidatur gewachsen. DÄB-intern hat dieses Projekt meines Erachtens die Kommunikation befördert und für das Thema weiter sensibilisiert. Hoffentlich hat es die eine oder andere Kollegin motiviert und bestärkt, ihre eigenen Visionen zu denken und zu leben.

Dr. med. Regine Rapp-Engels war von 2009 bis 2015 Präsidentin des DÄB und eine maßgebliche Kraft für das „Projekt Ärztin 2020“. Inzwischen wirkt sie als Ehrenmitglied für den DÄB.

E-Mail: rapp-engels@aerztinnenbund.de
Mehr zum Thema