Schluß mit pauschalen Beschäftigungsverboten für Ärztinnen - Ärztinnenbund begrüßt überfällige Reform des Mutterschutzgesetzes

Pressemitteilung
30.03.2016
Seit über 15 Jahren hat der Deutsche Ärztinnenbund sich für eine Reform des Mutterschutzgesetztes engagiert und damit eine Aufhebung eines faktischen Beschäftigungsverbots für angestellte schwangere Ärztinnen in Klinik oder Praxis gefordert. Der DÄB begrüßt es daher außerordentlich, dass das Gesetz nun zeitgemäßer, verständlicher und wirkungsvoller gefasst werden soll. Damit kann zukünftig auch verhindert werden, dass Ärztinnen ihre Schwangerschaft über Monate verschweigen (müssen). Die Ehrenpräsidentin und ehemalige Präsidentin des DÄB, Dr. med. Astrid Bühren, wird an der für den 05. April 2016 geplanten Anhörung teilnehmen und die Schwerpunkte einer umfangreichen Stellungnahme sowie offene Fragen des DÄB einbringen.

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der kompletten Stellungnahme

Bei der Aktualisierung des Gesetzes begrüßt der DÄB es vor allem, dass damit dem Wunsch vieler Frauen nach der praktischen Fortführung ihrer ärztlichen Erwerbstätigkeit auch während der Schwangerschaft und Stillzeit in angemessener Weise Rechnung getragen werden soll. Unter Wahrung des gesetzlich erforderlichen Gesundheitsschutzes der Schwangeren und des Ungeborenen sollte auch für Ärztinnen künftig eine weniger beeinträchtigte Teilhabe am Erwerbsleben während der Schwangerschaft und Stillzeit möglich sein. Dazu gehört, dass die schwangere Ärztin in die gegebenenfalls erforderliche zeitnahe Umgestaltung ihres Arbeitsplatzes bzw. ihres Tätigkeitsgebietes aktiv einbezogen wird. Unter Berücksichtigung aller Alternativen kann so verhindert werden, dass die Weiterbildungszeit der Ärztin unnötig verlängert und ihre erworbene berufliche Position gefährdet wird und dass demzufolge entsprechend seltener psychosozialen Stresssituationen mit dem Risiko einer Frühgeburt auftreten. Andererseits ist es genauso wichtig, dass die individuelle körperliche und/oder psychische Belastung einer schwangeren Ärztin als maßgeblich erachtet wird und sie deshalb auf einen risikoärrmeren Arbeitsplatz wechseln kann. Das heißt, es darf kein Druck auf die Ärztin ausgeübt werden, zum Beispiel Eingriffe vorzunehmen, die sie selbst als gefährdend ansieht.

Die bisherigen Mutterschutzfristen vor und nach der Entbindung sehen wir als positiven Schutzfaktor für das (ungeborene) Kind und seine Mutter an. Auch die Integration der bisher in der Verordnung zum Schutze der Mütter am Arbeitsplatz (MuSchArbV) enthaltenen Regelungen in das MuSchG wird die Transparenz für die Betroffenen aller Voraussicht nach erheblich erhöhen

Dr. med. Astrid Bühren, Ehrenpräsidentin des DÄB: „Wir haben sehr lange auf diese Reform warten müssen und freuen uns, dass sie im Sommer 2016 umgesetzt werden soll. Wir möchten weiterhin aktiv dazu beitragen, dass Frauen nicht über das zum Schutz gebotene Maß hinaus in ihrem beruflichen Werdegang beeinträchtigt werden und wollen unsere Expertise in den geplanten Ausschuss für Mutterschutz einbringen, damit die spezifischen Aspekte im Gesundheitswesen und damit auch von Ärztinnen in Klinik und Praxis, in der Pflege und bei Medizinischen Fachangestellten praxisrelevant vertreten sind.“

Bühren appelliert zusätzlich an Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen sowie Chefärzte und Chefärztinnen, die Vereinbarkeit von Beruf, Karriere und Familie zur Chefinnen- oder Chefsache zu machen. Ein aktualisiertes Mutterschutzgesetz werde ein wichtiger Bestandteil der Familienfreundlichkeit von Krankenhäusern, Praxen oder Medizinischen Versorgungszentrem (MVZ) sein, für dessen zeitnahe und sinnvolle Umsetzung unter Einbeziehung ihrer schwangeren oder stillenden Mitarbeiterin sie verantwortlich sind. Für den dauerhaften Verbleib einer Ärztin in ihrer Arbeitsstelle sei die Wertschätzung der Ärztin wichtig, die durch die Mutterschaft auch wesentliche Kompetenzen hinzugewinne. Es gelte, Ärztinnen nach Rückkehr aus der Mutterschutzfrist oder aus der Elternzeit auf Wunsch flexible Arbeitszeiten anzubieten, denn der beste Wiedereinstieg sei der Nicht-Ausstieg. Weiterhin müssten die während Schwangerschaft und Stillzeit gesetzlich untersagten, aber für die Weiterbildung erforderlichen Arbeitsinhalte, wie bestimmte Operationen den Ärztinnen danach bevorzugt zugeteilt werden, um Ärztinnen gleichberechtigt wie jungen Vätern berufliche Aufstiegschancen zu ermöglichen.

Seit es die "Gefahrstoffverordnung zum MuSchG" gibt, gibt es nach den Erfahrungen niedergelassener Frauenärztinnen mehr Beschäftigungsverbote als zuvor. Insbesondere die angestrebte Reduktion von bisher oftmals ungerechtfertigten Beschäftigungsverboten – von vielen Ärztinnen als „Berufsverbot“ erlebt und nicht selten ihre Abkehr von der Weiterbildung in einem operativen Fachgebiet – wird bei der Umsetzung des Gesetzes ein großer Fortschritt sein. Die zu unserem großen Bedauern gestrichene Einbeziehung von Praktikantinnen, Schülerinnen in Ausbildung und Medizinstudentinnen in das MuSchG wäre ebenfalls als wichtiger Schritt zu sehen.

Dr. med. Christiane Groß, M.A., Präsidentin des DÄB: „Junge Ärztinnen sind die Hoffnungsträgerinnen im Gesundheitswesen, denn der Großteil des Nachwuchses ist weiblich. Wir begrüßen es daher, dass schwangere Ärztinnen zum Beispiel künftig, wenn sie es so wollen und keine akute Gefährdung für das ungeborene Kind besteht, weiter operieren dürfen, ohne dass sie sich mit Karrierehindernissen befassen müssen oder offiziell ihre Schwangerschaft verschweigen, um diese Hindernisse zu minimieren. Das neue Gesetzt kann verhindern, dass viele Ärztinnen weiterhin ihre Schwangerschaft erst spät bekannt geben, um ihre Autonomie und ihre psychische Gesundheit nicht zu verlieren. Dass die psychische Gesundheit in dem Entwurf explizit einbezogen wurde, ist ein großer Fortschritt.“

In der Stellungnahme des DÄB wird abschließend unter anderen darauf hingewiesen, dass es immer noch Formulierungen im Entwurf gibt, die Schwangere für unmündig erklären. Das empfinden insbesondere Ärztinnen mit ihrem spezifischen Fachwissen als diskriminierend. Sehr wesentlich wäre auch, dass die Umsetzung des neuen Gesetzes anders als bisher bundeseinheitlich erfolgt, um unterschiedliche Auslegungen durch Länderbehörden, Betriebsärztinnen und -ärzte, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und der Schwangeren zumindest zu reduzieren.
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