Ärztinnenbund-Rangliste: Bei Professuren für Ärztinnen liegen die Universitäten Berlin und Hamburg vorn

Köln, 09.04.2002
Nach der erstmals vorgelegten Rangliste des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB) liegen die Universitäten Berlin (Humboldt-Universität, Klinikum Charité) und Hamburg (Klinikum Hamburg-Eppendorf) bei der Besetzung von Professuren in der Medizin mit Ärztinnen bundesweit vorn. In beiden Fakultäten haben jeweils drei Professorinnen einen C4-Lehrstuhl inne; eine C3-Professur halten in Berlin zehn Ärztinnen und in Hamburg-Eppendorf fünf Ärztinnen. Zusätzlich gibt es am Klinikum der Universität Hamburg zwei C4-Professorinnen im Bereich Zahnmedizin. Dies zeigt eine Umfrage des Deutschen Ärztinnenbundes unter 36 Medizinischen Fakultäten in Deutschland.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes für 2001 existieren in der Klinisch-praktischen Humanmedizin in Deutschland insgesamt 790 C4- und 815 C3-Professuren. 2,8 Prozent dieser C4- und 6,6 Prozent dieser C3-Postionen sind mit Frauen besetzt. In der Klinisch-theoretischen Humanmedizin (einschl. Zahnmedizin) gibt es 381 C4- und 333 C3-Positionen. Der Frauenanteil beträgt 5,3 (C4) bzw. 10,5 (C3)  Prozent. Speziell in der Klinisch-theoretischen Humanmedizin werden jedoch Positionen oft z. B. auch mit Biologinnen besetzt.

Nach der DÄB-Umfrage sind 42 C4- und 79 C3-Positionen in der Humanmedizin mit Ärztinnen besetzt. Inzwischen sind jedoch im Medizinstudium die Studentinnen mit rund 53 Prozent über alle Semester und bei den Erstsemestern im Wintersemester 2000/2001 mit 61 Prozent in der Mehrheit. Bei denen, die 2001 das medizinische Staatsexamen ablegten, lag der Frauenanteil bei 51 Prozent. DÄB-Präsidentin Dr. Astrid Bühren in ihrer Bewertung der  Ergebnisse: "Die Medizin wird in den kommenden Jahren zu einem Beruf mit ausgewogenem Frauenanteil. Im Hinblick auf die Chancengleichheit in Führungspositionen und in Wissenschaft und Forschung ist Deutschland jedoch ein Entwicklungsland. Strukturelle Reformen sind dringend überfällig!"

Die DÄB-Präsidentin weist in diesem Zusammenhang auf die mangelhafte Datenlage hin. Die vom Ärztinnenbund mühsam ermittelten Daten sind bei keinem für die Hochschulpolitik zuständigen Gremium wie etwa der Bund-Länder-Kommission oder dem Medizinischen Fakultätentag aktuell abrufbar. Die DÄB-Rangliste konnte nur aufgrund einer schriftlichen Umfrage sowie zahlreicher Nachrecherchen per Telefon und Internet zusammen gestellt werden.

Die Umfrage zeigt weiter, dass alle Medizinischen Fakultäten in den neuen Bundesländern auf vorderen und mittleren Rängen zu finden sind. Schlusslichter sind die Universitäten München (L.M.U.), Freiburg, Regensburg, Frankfurt und Bonn sowie die Universitätsgesamthochschule Essen, die jeweils keine C4-Professorin haben. Keine Angaben erhielt der Ärztinnenbund von den Universitäten Düsseldorf, Gießen, Münster und Würzburg.

Unter den 80.200 Medizinstudentinnen und -studenten in Deutschland waren  nach den Daten des Statistischen Bundesamtes am Stichtag 31.12.2001 insgesamt 53,3 Prozent (42.760) weiblich. In der Zahnmedizin beträgt der Frauenanteil unter den 13.218 Studenten 52,1 Prozent (6.883). Die Statistik des Instituts für Medizinisch-Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) zeigt, dass im Jahr 2001 insgesamt 8.866 Studentinnen und Studenten das medizinische Staatsexamen ablegten. Der Frauenanteil betrug 51,2 Prozent. Keine Daten existieren darüber, wieviele der mindestens 20 Prozent Studienabbrecher in der Medizin weiblich sind und aus welchem Grund sie das Studium nicht beenden.

DÄB-Präsidentin Bühren: "Damit erhalten die Ergebnisse der DÄB-Umfrage besondere Bedeutung. Den Medizinstudentinnen fehlen weitgehend Rollenvorbilder. Die wenigen Lehrstuhlinhaberinnen in Deutschland sind derzeit noch Pionierinnen in einem männerorientierten System. Sie haben die schwierige Aufgabe, Vorurteile aufzubrechen und die Präsenz von Ärztinnen in Führungspositionen selbstverständlich werden zu lassen." Um die Chancengleichheitnach dem Grundgesetz und den Vorgaben der Europaebene umzusetzen, fordert der Deutsche Ärztinnenbund



  • eine regelmäßige geschlechtsspezifische Auswertung und Veröffentlichung der Daten über die Besetzung universitärer Positionen - etwa durch die für Frauen zuständigen Ministerien, die Bund-Länder-Kommission oder den Medizinischen Fakultätentag

  • eine Bildungspolitik der Länder, die aus den 'Closed shop'-Berufungsverfahren transparente Auswahlverfahren macht

  • die Umsetzung des auf Europa-Ebene beschlossenen Gender-Mainstreaming-Prinzips

  • familienfreundliche Arbeitsbedingungen etwa durch Kinderbetreuungseinrichtungen an allen Universitätskliniken


Für Studentinnen ist wichtig, in universitären und Lehrkrankenhäusern an Rollenvorbildern zu erleben, dass Frauen Professorinnen und Chefärztinnen werden können und wie Beruf und Familie vereinbart werden können.
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