Ärztinnenbund zur Bischofsentscheidung: Scheinverständnis, aber keine Scheine für Frauen im Schwangerschaftskonflikt

23.06.1999
Wenn sich die katholische Kirche in Deutschland entscheidet, eine Schwangerschaftskonfliktberatung ohne das Ausstellen eines gesetzliche gültigen Beratungsscheins anzubieten, verkennt sie damit nach Auffassung des Deutschen Ärztinnenbundes die Lebensrealität der Hälfte der Bevölkerung. Jede Frau kann ungewollt schwanger werden. Dies wird durch den geplanten Umgang der katholischen Kirche mit der Schwangerschaftskonfliktberatung faktisch geleugnet. DÄB-Präsidentin Dr. Astrid Bühren: " Sogar eine Nonne kann vergewaltigt werden und dadurch in eine existentielle Bedrohung gebracht werden. Die Kirche darf sich nicht aus ihrer Verantwortung stehlen, gerade gläubigen Mädchen und Frauen in einer tiefgreifenden Lebenskrise offen und hilfreich zur Seite zu stehen. Die Würzburger Entscheidung steht für Scheinverständnis statt für einen vernünftigen Umgang mit den Beratungsscheinen zum Schwangerschaftsabbruch."

Keine Frau entscheidet sich nach den Erfahrungen des Deutschen Ärztinnenbundes leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch. Obwohl sich unter den Mitgliedern des Ärztinnenbundes gleichermaßen Befürworterinnen und Gegnerinnen von Abtreibungen finden, vertritt der Verband deshalb die Auffassung, daß nur eine Beratung, die sich der Probleme der betroffenen Frau offen annimmt, eine echte Unterstützung für eine ungewollt schwangere Frau sein kann. Nur eine solche Beratung bietet die Chance, eine abbruchwillige Frau doch noch von einer Entscheidung für das Kind zu überzeugen. Nach dem neuen katholischen Modell werden Frauen, die sich in einem echten Zwiespalt befinden, die katholischen Beratungsstellen jedoch erst gar nicht mehr aufsuchen. Frauen in der Frühschwangerschaft sind oft müde und leiden an Übelkeit. Wer eine Beratung ohne die Möglichkeit des Beratungsscheines anbietet, signalisiert Frauen im Konflikt, daß sie bei einer letztlichen Entscheidung für den Abbruch eine weitere Stelle aufsuchen müssen. Dies hat nicht nur für gläubige Frauen, sondern auch für die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der katholischen Beratungsstellen ernsthafte Konsequenzen.

Glaubwürdigkeit besitzen nach Auffassung des Deutschen Ärztinnenbundes nur solche Hilfsangebote, die ergebnisoffen sind und auch bei der möglichen Entscheidung für einen Abbruch die Selbstverantwortung der Frau akzeptieren. Nach dem Brief des Papstes haben die deutschen Bischöfe bei ihrem Treffen in Würzburg entschieden, daß künftig jede Beratungsbestätigung einer katholischen Beratungsstelle am Ende mit der Aussage versehen sein muß: " Die Bescheinigung kann nicht zur Durchführung straffreier Abtreibungen verwendet werden." Damit wird die Verantwortlichkeit von der Kirche zurückgewiesen und an die Frauen bzw. den Gesetzgeber zurückgegeben. So wie viele Männer Frauen mit einer ungewollten, aber gemeinsam gezeugten Schwangerschaft in ihrer Gewissensnot alleine lassen, werden die gläubigen Frauen damit von ihren Kirchenvätern alleine gelassen.
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