DÄB fordert flächendeckend Beratung für Ärzt:innen, die sexuell belästigt wurden

Pressemitteilung
22.04.2021
2020 hat die Ärztekammer Nordrhein eine Beratungsstelle für Betroffene sexueller Belästigung im beruflichen Kontext eingerichtet – die bisher einzige in dieser Form für Ärztinnen und Ärzte in Deutschland. Dabei hatte bereits 2019 der Deutsche Ärztetag in Münster festgehalten, dass es konkreter Maßnahmen bedarf, um die Frauen und Männer im Gesundheitswesen besser vor Übergriffen zu schützen. Der Deutsche Ärztinnenbund e.V. (DÄB) mahnt nun die Umsetzung dieses Vorhabens an. „Es ist an der Zeit, dass alle Ärztekammern tätig werden“, sagt Dr. Christiane Groß, Präsidentin des DÄB. „Die Beratungsstelle der Ärztekammer Nordrhein kann als Vorbild dienen.“

Unerwünschte Flirtversuche, anzügliche Sprüche, Grapschen, Vergewaltigung: Sexuelle Übergriffe auf das medizinische Personal sind ein tabuisierter Missstand in Kliniken und Praxen. Dies gilt sowohl bei Übergriffen unter den Mitarbeitenden des Gesundheitssystems als auch bei Übergriffen durch Patient:innen auf die Mitarbeitenden. Eine Online-Umfrage hat 2019 ein Schlaglicht auf das Ausmaß des Problems geworfen. Der Erhebung zufolge hatten 15 Prozent der Ärztinnen und Ärzte in den vergangenen drei Jahren sexuelle Übergriffe am Arbeitsplatz beobachtet. Sieben Prozent der Medizinerinnen und Mediziner gaben an, selbst von Mitarbeitenden belästigt worden zu sein. Frauen sahen sich 3-mal häufiger mit Übergriffen konfrontiert als Männer.

„Leider marginalisieren viele Personalverantwortliche solche Vorkommnisse nach wie vor“, erklärt Groß. Die Parole: „Stell dich nicht so an!“ führt jedoch dazu, dass zu viele Opfer sexueller Belästigung eingeschüchtert sind oder sich schämen – und schweigen. „Das stützt dieses System“, sagt Groß. „Um den Teufelskreis zu durchbrechen, benötigen wir mehr Beratungsstellen und mehr Sensibilität für das Thema auch in der Kollegenschaft.“

Gesetzlich gibt es Möglichkeiten, sich gegen sexuelle Belästigung zu wehren. Angefangen beim Beschwerderecht, einem Leistungsverweigerungsrecht sowie einem Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz. Arbeitgeber sind verpflichtet, aktiv gegen diese Übergriffe vorzugehen, um sie zu beenden. „Im Einzelfall benötigen Betroffene eine persönliche, juristisch kompetente Beratung, wie sie mit dieser belastenden Situation umgehen. Auf Wunsch auch anonym“, sagt Groß. „Genau das bietet die Ärztekammer Nordrhein und könnte darum als Vorbild dienen.“ Klar ist: Sexuelle Belästigung, die nicht aufgearbeitet wird, kann bei den Opfern schwere psychische Störungen auslösen.

Der DÄB kämpft seit vielen Jahren gegen sexuelle Belästigung. „Ein Übergriff findet dann statt, wenn sich jemand mit dem Erlebten insbesondere in der Rolle als Frau oder Mann unwohl oder angegriffen fühlt“, stellt Groß klar. Auf der Seite https://www.aerztinnenbund.de/Service.0.291.1.html bietet der DÄB unter dem Stichwort #MeToo ein Faltblatt zum Thema an.
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