Dammbruch-Effekt befürchtet: Ärztinnenbund lehnt in Ethik-Stellungnahme Präimplantationsdiagnostik ab

Köln, 21.02.2001
Nach der Stellungnahme seines Ausschusses für Ethikfragen lehnt der Deutsche Ärztinnenbund in einer heute in Köln veröffentlichten Stellungnahme die Einführung der Präimplantationsdiagnostik (PID oder engl.: PGD) ab. Mit dieser bisher in Deutschland verbotenen Methode können außerhalb des Körpers gezeugte Embryonen auf genetische Krankheiten untersucht werden. Befürworter der Methode sprechen von einigen Dutzend genetisch vorbelasteten Paaren pro Jahr, für die die Methode in Frage käme. Mit der PID können die Embryonen dieser Paare im Rahmen einer In-vitro-Fertilisation auf die befürchtete genetisch bedingte Krankheit untersucht und dann nach Selektion entweder in den Mutterleib übertragen oder "verworfen" werden. Nach der Stellungnahme des DÄB-Ethikausschusses unter Vorsitz der Tübinger Professorin Renate Nolte muss mit Einführung der Methode jedoch eine Ausweitung der Anwendung auch auf weniger schwer wiegende Krankheiten und und andere genetische Merkmale befürchtet werden.

Der Ausschuss, in dem Expertinnen aus Humangenetik, Gynäkologie, Kinderheilkunde, Psychiatrie und Allgemeinmedizin vertreten sind, hat die Vorteile der neuen Methode gegen bereits existierende Handlungsoptionen abgewogen und hält die Einführung der Methode nicht für eine substanzielle Verbesserung. "Auch ohne Einführung der PID/PGD ist bereits jetzt keine Familie gezwungen, ein an einer pränatal diagnostizierbaren, schwerwiegenden Erbkrankheit leidendes Kind aufzuziehen," heisst es in der Stellungnahme. Um von der PID/PGD-Methode zu profitieren, müssten sich normal zeugungsfähige Paare einer künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation) mit einer Erfolgsrate von maximal 20 Prozent pro Jahr unterziehen. Dies sei auch deshalb bedenklich, weil die hormonelle Stimulierung der Frau im Rahmen der In-vitro-Fertilisation ein erhöhtes Risko für ein Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) nach sich ziehen könne. Darüber hinaus werde auch nach Anwendung der PID/PGD-Methode zusätzlich in einem Frühstadium der Schwangerschaft die bisher schon eingesetzte pränatale Diagnostik (PND) angewandt, mit der schwere genetische Schäden festgestellt werden und die auf Wunsch des Paares einen Schwangerschaftsabbruch nach sich ziehen kann.

Bei Einführung der Präimplantationsdiagnostik in Deutschland müsste ausserdem das Embryonenschutz-Gesetz geändert werden. Es sieht bisher vor, dass Embryonen ausserhalb des Körpers nur für die Ermöglichung einer Schwangerschaft gezeugt werden dürfen und dass einer Frau maximal drei Embryonen in die Gebärmutter übertragen werden dürfen. Nach dem bisher im Ausland praktizierten PID/PDG-Verfahren werden mindestens 7-9 Embryonen für die Ausführung der Methode gebraucht.

DÄB-Präsidentin Dr. Astrid Bühren: "Die rasante Fortentwicklung der gentechnischen Methoden lassen uns sehr wenig Zeit, uns mit den Folgen dieser Entwicklung auseinanderzusetzen. Die Seele kommt fast nicht hinterher. Der Deutsche Ärztinnenbund hat seinen Ethik-Ausschuss gerade deshalb beauftragt, einen genauen Blick auf die medizinischen, aber auch die menschlichen Auswirkungen für die betroffenen Paare zu werfen, die die Einführung der Präimplantationsdiagnostik nach sich zieht." Der Ärztinnenbund hat sich aus dem gesamten Bereich der Gentechnik gerade mit dem Bereich der Präimplantationsdiagnostik befasst, weil er Ärztinnen und Patientinnen in ihrer Rolle als Frau gleichermaßen berührt. Nach Angaben der DÄB-Präsidentin birgt das Herausreissen von biologischen Abläufen aus ihren natürlichen Zusammenhängen auch das Risiko, dass das von einem Paar gewünschte Kind und die Frauen in ihrer Rolle als werdende Mütter zunehmend versachlicht werden.

Die "Stellungnahme zur Präimplantationsdiagnostik (PID/PGD)" erhalten Sie unter: www.aerztinnenbund.de oder über die DÄB-Geschäftsstelle.
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