Foto: KV Berlin

Der „ambulante Schutzwall“ hat das Gesundheitssystem aufrecht gehalten

Das deutsche Gesundheitssystem hat in den vergangenen Monaten der akuten SARS-CoV-2-Pandemie schwierige Zeiten durchlebt. Hier eine Analyse, wie sich die Situation in der größten deutschen Stadt, Berlin, darstellte – und die Lehren aus Corona.

Corona hat Praxen und Krankenhäuser gleichermaßen auf den Kopf gestellt. Bis heute ist nicht klar, wie sich die Pandemie weiterentwickeln wird und ob wir im Herbst erneut mit steigenden Infektionszahlen konfrontiert werden. Eines aber ist klar: Wir haben diese Ausnahmesituation sehr gut bewältigt! Wir sind auf eine nächste Welle vorbereitet!

Das war im März noch anders. Corona hat uns alle kalt erwischt, auch die in der Niederlassung tätigen Ärztinnen und Ärzte. Die Sorge um die eigene Gesundheit, die der Familie und Mitarbeiter*innen waren ebenso bestimmende Themen wie die Ungewissheit, ob die Praxis geöffnet bleiben kann und wie Patientinnen und Patienten ohne Schutzausrüstung, die anfangs fehlte, behandelt werden können.

Improvisation, Telefon und Videosprechstunde
Die Bilder aus Corona-Hotspots wie Italien haben ihr Übriges dazu beigetragen, um sich klarzumachen: So wie der Praxisalltag bisher war, konnte er nicht bleiben. Neue Wege und Strukturen mussten gefunden werden. Die Kreativität der Kolleginnen und Kollegen war gefragt – zum Beispiel bei der Herstellung, Beschaffung oder dem „Wiederaufbereiten“ von Masken, dem „Umbau“ der Praxisräume oder gesonderten Sprechzeiten für Infektpatient*innen.

Arbeitsmodelle und -zeiten wurden umgekrempelt, um die Kinderbetreuung der Ärztinnen und Ärzte und des Praxispersonals auffangen zu können. Das Telefon avancierte zum wichtigsten Arbeitsinstrument und eine große Anzahl von Praxen bot erstmalig Videosprechstunden an – in Berlin sind dies bereits mehr als ein Drittel aller Praxen.

Schutzschirm gegen Finanzausfälle
Die größte Herausforderung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bestand darin, den eigenen Betrieb aufrechtzuerhalten, um weiterhin erste Anlaufstelle vor allem für die chronisch kranken Patient*innen zu sein und die wirtschaftliche Existenz zu sichern. Die Kassenärztliche Vereinigung Berlin hat dabei tatkräftig unterstützt. Sei es durch die zentrale Beschaffung und Verteilung von Schutzkleidung, stets aktuelle und umfangreiche Informationen, Kooperationen mit Krankenhäusern und der Feuerwehr zur Eindämmung der Pandemie, der Mitarbeit in Krisenstäben, aber selbstverständlich auch dadurch, dass der Geldfluss stets abgesichert war. Auch in Berlin ist es gelungen, einen Schutzschirm zu spannen, um finanzielle Ausfälle der Praxen aufzufangen.

Rückblickend kann man sagen, dass es keine hohlen Worte sind, dass der „ambulante Schutzwall“ dafür gesorgt hat, dass unser Gesundheitssystem nicht in die Knie gegangen ist. Auch die Mehrheit der Berliner Praxen blieb offen und konnte den Krankenhäusern den Rücken freihalten.

Chance der Digitalisierung erlebt
Mittlerweile hat sich die Situation entspannt, die Praxen arbeiten seit längerem wieder im Regelbetrieb und die Patientinnen und Patienten kehren in die Praxen zurück. Das ambulante System hat sich – auch auf Grund der selbstständigen und dadurch flexibleren Strukturen – gut auf die Krise eingestellt. Notwendige Maßnahmen wurden regional wie überregional schnell und oft auch unkompliziert umgesetzt. Und es wurde erkannt, welche Chancen in der Digitalisierung stecken. Es bleibt zu wünschen, dass an diese positiven Effekte angeknüpft wird.

Dr. med. Margret Stennes ist Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin. Die Fachärztin für Innere Medizin, für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalyse ist seit 20 Jahren in der Gremienarbeit aktiv.

E-Mail: kvbe@kvberlin.de
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