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„Eine gute Vernetzung hat sich in der Corona-Hochzeit als nützlich erwiesen“

Sie sind Fachanwältin für Medizinrecht und engagieren sich beim Deutschen Juristinnenbund, einem Partnernetzwerk des DÄB. Wie hat die Corona-Krise den juristischen Beratungsbedarf von Ärzt*innen verändert?

In unserer Kanzlei bin ich auf die Beratung und Vertretung von niedergelassenen (Zahn-)Ärzt*innen, Gemeinschaftspraxen und Medizinischen Versorgungszentren spezialisiert. Meine Kolleg*innen und ich hatten in der ersten Phase der Corona-Krise deutlich mehr zu tun als üblich. Dagegen hatten Kanzleien, die sich zum Beispiel mit Arzthaftung beschäftigen, kaum Termine. Im Lockdown konzentrierte sich alles auf die akute Situation, nicht so dringende Verfahren wurden – auch bei Gericht – zurückgestellt. Die niedergelassenen Ärzt*innen hatten es mit Themenfeldern zu tun, mit denen sie sich zuvor noch nie beschäftigen mussten. Darum gab es viele Fragen.

Welche zum Beispiel?

Kurzarbeit war ein großes Thema. Angefangen bei der Frage, wie man Kurzarbeit überhaupt beantragt bis hin zu den Auswirkungen auf die Statusentscheidungen des Zulassungsausschusses. Beim Antrag halfen oft die Steuerberater*innen. Bei den Statusentscheidungen kamen wir ins Spiel. Dabei ging es vor allem um die Mindestsprechstunden, die man anbieten musste, um unter den Schutzschirm zu kommen.

Was hat den Ärzt*innen Ihrer Wahrnehmung nach am meisten zu schaffen gemacht?

Das war die Geschwindigkeit, mit der sich alles gleichzeitig verändert hat. Die Praxisräume den Vorschriften entsprechend umgestalten, viele neue Abrechnungsziffern, teilweise unklare Vorgaben, Schutzausrüstung besorgen und dann die Veränderungen im Aufkommen an Patientinnen und Patienten: das alles innerhalb weniger Tage. Dadurch hat sich das Gefüge in den Praxen, das Verhältnis der Ärzt*innen untereinander und zu den Mitarbeiter*innen schlagartig verändert. In Praxen, an denen mehrere Ärzt*innen beteiligt sind, haben ja nicht automatisch alle Teilhaber*innen die gleiche Auffassung, wie mit einer Krise umzugehen ist. Und bei der Komplexität der Situation war es allgemein kaum möglich, gleichermaßen den Überblick über alle Problemstellungen zu behalten. So entstand dann oft juristischer Klärungsbedarf.

Hatten Sie vermehrt Anfragen von Frauen, etwa wegen fehlender Kinderbetreuung?

Nein, weil dies nicht ins Medizinrecht fällt. Tätigkeitsverbote für schwangere Ärztinnen sind uns dagegen gelegentlich begegnet. Hier muss man für jedes Fachgebiet genau differenzieren, was gerechtfertigt ist. Es ist ja klar, dass sich die Situation für Augenärztinnen anders darstellt als beispielsweise für Ärztinnen auf einer Intensivstation mit an COVID-19 Erkrankten. Erschwerend kam hinzu, dass die Wissenschaft in den ersten Wochen der Pandemie nichts darüber wusste, wie sich das Virus auf ein Ungeborenes auswirkt.

Haben Sie Tipps für rechtlich unsichere Situationen?

Ein Schlüssel ist sicher eine gute Vernetzung mit dem jeweiligen Fachverband. Wer Kontakte in seine spezielle Fachärzt*innengruppe pflegt, erhält von dort aktuelle Informationen, die wohl am ehesten zu den persönlichen Prob lemstellungen passen. Die Corona-Krise hatte beispielsweise für Häusärzt*innen ganz andere Auswirkungen als für Chirurg*innen. Zudem können Verbände auch als Interessensvertretung hilfreich sein, etwa bei der Zwangsverpflichtung zu ärztlichen Diensten, die es unter anderem in Bayern phasenweise gab. Da muss man seine Interessen eventuell sehr schnell individuell wahren. Aber es ist auch beruhigend zu wissen, dass sich eine Standesvertretung wie der Hausärzteverband um das Problem kümmert und auch in der Politik Gehör findet.

Interview: Alexandra v. Knobloch

Dr. jur. Berit Jaeger ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht. Mit einem Partner führt sie eine Kanzlei in Leinfelden-Echterdingen. Sie ist Mitglied im Deutschen Juristinnenbund (djb) und engagiert sich dort unter anderem für einen hö- heren Anteil an Frauen in Führungspositionen, zudem ist sie Mitglied in der AG Anwältinnen des Deutschen Anwaltvereins.

E-Mail: pr@bvmd.de
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