Erfahrungsbericht: Der Mutterschutz und das Stillen im Praktischen Jahr

Die Umsetzung des novellierten Mutterschutzgesetzes für Ärztinnen und Medizinstudentinnen beschäftigt den DÄB weiterhin, denn eine befriedigende Lösung steht weiter aus. Viele Frauen berichten uns von ihren persönlichen Erfahrungen. In diesen Beitrag sind die Erlebnisse einer betroffenen Frau eingeflossen, die wir hier anonym wiedergeben.

Stillen: Eigentlich eine private Entscheidung, für angehende Ärztinnen aber mitunter folgenschwer
Foto: 123rf_nastyaofly
Medizin studieren und Mutter werden – die Meinungen und Erfahrungen darüber, ob das Studium ein geeigneter Zeitpunkt für die Familienplanung ist, gehen mitunter weit auseinander. Es gibt viele Berichte von Frauen, die ihre wachsenden Schwangerschaftsbäuche unter weiten Pullovern verstecken, um drohenden Konflikten aus dem Weg zu gehen. Fakt ist, dass nicht nur eine Schwangerschaft Frauen in medizinischen Bereichen vor Herausforde­rungen stellt. Auch Stillende fallen unter das Mutterschutzgesetz, denn es findet auch nach der Geburt Anwendung.

Schwangere und Stillende werden in der Auslegung des Mutterschutzgesetzes an vielen Stellen gleichgesetzt. In der Praxis resul­tieren daraus auch in der Stillzeit Beschäftigungsverbote für bestimmte Tätigkeiten, zum Beispiel für Blutabnahmen, für den Kontakt mit potenziell infektiösen Patient:innen oder Materialien sowie für die Teilnahme an bestimmten Operationen.

Ist Ehrlichkeit ein Fehler?

Kathrin B. ist Medizinstudentin und Mutter eines sechs Mo­nate alten und gestillten Babys, als sie das Praktische Jahr beginnen will. Den Schutz ihres kleinen Kindes im Sinn, setzt sie das Lehrkrankenhaus darüber in Kenntnis, dass sie noch stillt. „Zu dem Zeitpunkt war mir bewusst, dass ich unter diesen Voraussetzungen einige Tätigkeiten nicht ausführen darf“, sagt die 27-Jährige. „Da selbst schwangere Ärztinnen unter bestimmten Auflagen operieren dürfen, konzentrierte ich mich darauf, welche meiner Aufgaben als PJ-Studentin ich auch als Stillende wahrnehmen kann.“

Nach einer Gefährdungsbeurteilung durch den betriebsärztlichen Dienst folgte die Ernüchterung: Wenige Tage vor Beginn des Praktischen Jahrs entschied das Lehrkrankenhaus, dass sie als stillende Mutter weder im Fachbereich Chirurgie noch in der Inneren Medizin eingesetzt werden könne. Grund dafür sei, dass das Lehrkrankenhaus der Auffassung war, seiner Ausbildungsverpflichtung wegen der mit der Gefährdungsbe­urteilung einhergehenden Einschränkungen nicht nachkommen zu können.

Auch Stillen am Abend zählt

Kathrin B. setzte kurzfristig ein weiteres Semester aus, obwohl ihr Partner bereits seinen Erziehungsurlaub zur Kinderbetreuung angetreten hatte. Ein spontaner Wechsel in ein „stillfreundliches“ Haus, in dem ein PJ auch für stillende Studierende möglich ist, kam für die örtlich gebundene Familie nicht in Frage. „Alle schienen zu hoffen, dass sich das Thema Stillen bis zum nächsten Semester erledigen würde“, erzählt sie. Doch auch dann stillte die junge Mutter noch, wenn auch nur in den Abendstunden. Diesmal entschloss sie sich dazu, „heimlich“ weiter zu stillen, um ihr PJ machen zu können. „Ich glaube, vielen Studentinnen und Ärztinnen ist gar nicht bewusst, dass sie unter das Mutterschutzgesetz fallen, auch wenn sie nur außerhalb der Arbeitszeiten stillen“, sagt Kathrin B.

Erschwerend kam hinzu, dass sich die junge Mutter für ein PJ in Teilzeit entschieden hatte: „Diese Entscheidung fiel bei mir unabhängig vom Stillen und war eher der Betreuungssituation geschuldet. Sie machte aber alles komplizierter. Es gab Pro­bleme mit den vorgesehenen Rotationen innerhalb eines Tertials und eine Rückkehr zur Vollzeit ist an meiner Uni während des gesamten PJ nicht möglich.“

Ein Einzelfall?

Die Tatsache, dass es wenig Information oder Handlungsanweisungen zum Thema stillende PJ-lerinnen gibt, lässt vermuten, dass viele Stillende es bei der Arbeit verschweigen. Auch im ärztlichen Kontext ist zu befürchten, dass nicht nur schwangere, sondern auch stillende Frauen ihre Situation nicht offen ansprechen können oder wollen, um ihre Weiterbildung zur Fachärztin nicht zu gefährden.
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