Dr. med. Ulrike Berg
Foto: B. R. Basha

Ratgeber aus der Klimapsychologie: Wie wir aktiv werden, statt zu verzweifeln

Buchbesprechung

Seit etwa drei Jahren setze ich mich aktiv gegen den menschengemachten Klimawandel ein. Durch mein En­gagement treffe ich viele schlaue und inspirierende Menschen und gemeinsam stärken wir unsere Haltung und unseren Einfluss. Doch dieser Sommer mit der nicht enden wollenden Trockenheit, seinen Kriegen und den Konfliktherden, mit der Zukunftsangst meiner Patient:innen und meinem langsam vor sich hin sterbenden Gemüsegarten hat mich an meine emotionale Grenze gebracht. Wieso und wie soll ich weiter dabeibleiben im notwendigen Kampf gegen die Erderwärmung?

Genau zur rechten Zeit ist mir dieses im August 2022 erschienene Buch in die Hände gefallen: Klimagefühle. Untertitel: Wie wir an der Umweltkrise wachsen, statt zu verzweifeln. Geschrieben haben es Lea Dohm und Mareike Schulze, die Gründerinnen des deutschen Psychologists/Psychotherapists for Future e. V. (Psy4F).

Zwischen Angst und Mut

Die Psychotherapeutinnen besprechen in ihrem Buch all die Empfindungen, die einen im Zusammenhang mit der Klima­katastrophe bewegen: Angst, Ärger und Wut, Traurigkeit, Schuld und Scham; aber vor allem auch Freude und Verbundenheit, Hoffnung und Mut. Die Psychologinnen beschreiben Wege, wie sich lähmende Emotionen akzeptieren und bewäl­tigen lassen – und wie wir so letztlich handlungsfähig und resilienter werden.

Die Autorinnen zeigen außer­dem auf, wie sehr die Themen Klimagerechtigkeit und sozia­le Gerechtigkeit miteinander verwoben sind. Erst eine Veränderung unseres politischen und wirtschaftlichen Systems wird die sozial-ökologische Transformation möglich machen. Und wer vor diesen großen Veränderungen Angst hat, erfährt in diesem vielschichtigen Buch, dass viele der notwendigen Veränderungen einen positiven Einfluss auf unsere physische und psychische Gesundheit haben werden und zu einer Zunahme unseres Wohlbefindens führen.

Daneben finden sich im Buch viele praktische Tipps zur Selbstfürsorge, inklusive Exkursen zu den Themen Achtsamkeit und Burn-out-Prävention. Es bietet Anregungen zur sogenannten Klimakommunikation im privaten Umfeld, aber zum Beispiel auch mit Patient:innen sowie Links zu Podcasts und Internetseiten zur Klimaveränderung.

Bekannte Aktivist:innen berichten

Besonders motivierend und verbindend sind die eingeflochtenen Zitate und Erfahrungsberichte von Aktiven aus der Klimabewegung: Darunter sind bekannte Menschen wie der Meteorologe Özden Terli, der Arzt, Kabarettist und Schriftsteller Dr. Eckart von Hirschhausen, die Energieökonomin Prof. Claudia Kemfert und der Astrophysiker Prof. Harald Lesch.

Es äußern sich aber auch bislang bei uns weniger bekannte Menschen aus der Klimabewegung, wie beispielsweise die haitianische Aktivistin Virginie Pochon. Ein Beispiel: „Wir haben alles zu verlieren und so viel zu gewinnen“, sagt Eckart von Hirschhausen. Und Mirjam von Psy4F bringt es meiner Meinung nach auf den Punkt: „Du wirst die Welt heute nicht retten. Und morgen nicht. Und übermorgen. Du kannst sagen: ,Bringt eh nichts. Alles zu spät.‘ Oder du kannst das tun, was heute innerhalb deiner Möglichkeiten liegt, pausieren, wenn du dich erholen musst. Und morgen weitermachen.“

Lea Dohm, Mareike Schulze: Klimagefühle. Verlag Knaur HC, ISBN: 978-3-426-28615-9

Dr. med. Ulrike Berg ist Diplom-Betriebswirtin (BA), Fachärztin für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin. Seit 2019 engagiert sie sich bei der Sektion Klima und Gesundheit der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und bei Health4 Future. Sie ist Vorsitzende der DÄB-Regionalgruppe Wiesbaden-Mainz und eine der Organisatorinnen des Ausschusses Klimawandel und Gesundheit im DÄB.


E-Mail: wiesbaden-mainz@aerztinnenbund.de
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