Sind Frauen die besseren Mediziner?

Prof. Dr. med. Ioanna Gouni-Berthold von der Medizinische Klinik II und Poliklinik für Innere Medizin der Universität zu Köln fragt in ihrem Vortrag, ob die Versorgungsqualität eines Patienten davon abhängt, ob der behandelnde Arzt eine Frau oder ein Mann ist. Obgleich diese Frage nie im Zentrum der Versorgungsforschung stand, ist sie doch seit langem kontrovers diskutiert worden. Sie gab unserem Team an der Klinik II und Poliklinik für Innere Medizin der Universität zu Köln Anlass, ein Register von mehr als 50.000 Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 daraufhin zu untersuchen. Diese Patienten wurden deutschlandweit von mehr als 3000 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten versorgt, wobei die Gebietsbezeichnungen repräsentativ auf Allgemeinärzte, Internisten und einige Diabetologen verteilt waren.

Die Ergebnisse sprechen eine überaus eindeutige Sprache: in vielen Bereichen schnitten die Ärztinnen wesentlich besser ab als ihre männlichen Kollegen. Die Patienten der weiblichen Mediziner erhielten mehr Diabetesschulungen und erreichten häufiger die objektiv messbaren Therapieziele, sei es beim Blutzucker, beim Blutdruck oder bei den Blutfetten – alles wesentliche Faktoren zur Vermeidung von Organkomplikationen oder vorzeitigem Tod. Und darüber hinaus, all diese Ergebnisse waren unabhängig davon, ob die Patienten Männer oder Frauen waren: beide erhielten die bessere Behandlung.

Wie lassen sich diese Unterschiede erklären? Zahlreiche Gründe sind denkbar. Es ist bekannt, dass die Wege der Entscheidungsfindung bei Ärztinnen und Ärzten unterschiedlich sind, unabhängig vom Patientengeschlecht. Beispielsweise erhalten die Patienten von männlichen Ärzten häufiger Herzkatheter nach akutem Myokardinfarkt im Vergleich zu den Patienten von Ärztinnen. Auf der anderen Seite wurde gezeigt, dass Ärztinnen den präventiven Maßnahmen eine größere Bedeutung beimessen und die Arzt-Patienten-Beziehung anders geartet sein kann. Das, was man eine partizipatorische Entscheidungsfindung nennt, also das partnerschaftlich-teilnehmende Einbeziehen des Patienten in den gesamten Diagnostik- und Therapieprozess könnte bei Ärztinnen deutlicher ausgeprägt sein. Gerade der Diabetes mit seinen Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung (Essen, Bewegung, Blutzuckerselbstmessung, Tabletten und Insulin, Umgang mit Folgeerkrankungen und Behinderungen bis hin zu psychischen, beruflichen und familiären Auswirkungen) ist ein Beispiel für die Wichtigkeit der partnerschaftlichen Einbeziehung des Patienten in Therapieentscheidungen. Die Berücksichtigung seiner Präferenzen und Möglichkeiten mündet in eine höchstmögliche Motivation und Stärkung der Selbstverantwortung. Könnte es nicht sein, dass Frauen in der Gestaltung dieses partnerschaftlichen Arzt-Patienten-Verhältnisses erfolgreicher sind?

Obgleich Untersuchungen gezeigt haben, dass Ärztinnen und Ärzte in der Sprechstunde dieselbe Zeit mit ihren Patienten verbringen, verbringen sie diese Zeit offensichtlich mit unterschiedlicher Gewichtung. Ärztinnen legen ihre Schwerpunkte mehr auf Aufklärung und Beratung, wohingegen Ärzte eher Untersuchungen durchführen und Therapien erklären. Ärztinnen zeigen mehr Empathie, positive Zuwendung und Bildung von Partnerschaft als ihre männlichen Kollegen. Diese Eigenschaften sind bei der Behandlung von Patienten mit vielen chronischen Erkrankungen essentiell, da von der Therapietreue häufig das langfristige Behandlungsergebnis abhängt.

Frauen sind wahrscheinlich nicht „die besseren Ärzte“, aber es ist nicht auszuschließen, dass die „weibliche Heilkunst“ in manchen Situationen die besseren Ergebnisse hervorbringt. Dies hat zumindest unsere Kölner Studie zur Versorgungsqualität von Diabetikern gezeigt. Zuhören, Zuwendung und ein partnerschaftlicher Kommunikationsstil bringen vielleicht manchmal mehr als Laboruntersuchungen. Und sie sind zudem noch billiger!