Studie über Unterrepräsentanz von Frauen beim wissenschaftlichen Publizieren: DÄB fordert Maßnahmen gegen die Diskriminierung in der akademischen Medizin

Pressemitteilung
11.08.2022
Warum veröffentlichen Medizinerinnen weniger wissenschaftliche Originalarbeiten als Männer? Und wenn sie ihre Forschungsergebnisse unterbringen, warum dann öfter als Männer in Fachzeitschriften mit geringerem Impact-Faktor? Eine Querschnittsstudie* der Universität des Saarlandes über Zeitschriften der Infektionsmedizin liefert nun Hinweise, dass hinter dieser Ungleichheit eine subtile Diskriminierung steckt. Die Untersuchung, die in „The Lancet Infectious Diseases“ erschienen ist, zeigte: Je höher der Anteil von Frauen bei den Herausgebern war, desto höher war auch der Anteil von Erst- und Letztautorinnen. „Die Studie untermauert, worauf der Deutsche Ärztinnenbund immer wieder hinweist: Frauen in der Medizin, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben, sind systematisch benachteiligt“, kommentiert Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk, Senior Consultant des Deutschen Ärztinnenbundes e.V. (DÄB).

Vor einigen Wochen hatte Kaczmarczyk für den DÄB zum dritten Mal den Anteil der Frauen in Führungspositionen in der Universitätsmedizin erhoben** – und festgestellt, dass er seit mehreren Jahren bei 13 Prozent stagniert. „Die Ergebnisse aus dem Saarland bringen nun einen negativen Faktor ans Licht, der wissenschaftlich ambitionierten Medizinerinnen zu schaffen macht. Das ist wichtig“, sagt Kaczmarczyk weiter. „Insgesamt gibt es natürlich sehr viele Faktoren, die dazu führen, dass so wenige Frauen in diese Führungspositionen gelangen, obwohl schon lange mehr als 60 Prozent der Medizinstudierenden Frauen sind.“ Der DÄB fordert die Verantwortlichen im föderalistischen Bildungssystem auf, an einem Strang zu ziehen und das Thema Chancengleichheit von Frauen in der medizinischen Forschung zu priorisieren. „Wir brauchen mehr Frauen auf den medizinischen Lehrstühlen“, sagt Dr. Christiane Groß, Präsidentin des DÄB. „Angesichts der Herausforderungen in der Medizin kann es nicht sein, dass immer noch zum ganz überwiegenden Teil ausschließlich Männer bestimmen, welche Themen erforscht werden“, sagt Groß.

Der aktuelle Mangel an einflussreichen weiblichen Führungspersönlichkeiten trägt dazu bei, den Mangel aufrecht zu erhalten. Diese Schlussfolgerung legt die Studie aus dem Saarland nahe. Die Autor:innen um Dr. Cihan Papan selbst interpretieren ihre Ergebnisse so: Eine mögliche Ursache für den Zusammenhang zwischen dem Geschlecht der Herausgebenden und dem Geschlecht der akzeptierten Autor:innen könne unter anderem die unbewusste und implizite genderspezifische Voreingenommenheit bei der Beurteilung eines eingereichten Artikels sein. Andere Gründe können genderspezifische Unterschiede im rhetorischen Ausdruck beziehungsweise der Ergebnispräsentation oder auch die Auswahl an Forschungsmethoden sein. „Das heißt, dass Männer Forschungsarbeiten von Frauen aus verschiedenen Gründen für weniger qualitätvoll halten als solche von Männern“, fasst Kaczmarczyk zusammen. „Womöglich geschieht das unbewusst. Aber das Ergebnis ist, dass Frauen so schon sehr früh schlechtere Karrierebedingungen erhalten. Wer weniger publiziert – oder in weniger einflussreichen Zeitschriften – wird weniger wahrscheinlich Professorin.“

* Last K, Hübsch L, Cevik M, Wolkewitz M, Müller SE, Huttner A, Papan C.: Association between women's authorship and women's editorship in infectious diseases journals: a cross-sectional study. Lancet Infect Dis. 2022 Jul 12:S1473-3099(22)00367-X. doi: 10.1016/S1473-3099(22)00367-X. Epub ahead of print. PMID: 35839790. Link https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S147330992200367X

** Deutscher Ärztinnenbund, i.A. Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk: Medical Women on Top. 2022
Link: https://www.aerztinnenbund.de/DAEB-Dokumentation_Medical_Women_On_Top.2557.0.2.html
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