Foto: Universitätsklinikum Düsseldorf
Universitätsklinikum Düsseldorf

Werden Frauen in der Medizin bei der Vergabe wissenschaftlicher Preise benachteiligt?

Neben bekannten Phänomenen wie dem Gender Pay Gap und dem Gender Citation Gap gibt es zunehmend Hinweise auf einen Gender Award Gap. Dieser beschreibt die Beobachtung, dass Frauen im Vergleich zu Männern nicht nur weniger Preise und Auszeichnungen erhalten, sondern vor allem weniger renommierte und weniger hoch dotierte Preise: ein Karrierenachteil.

Betrachtet man beispielhaft den wohl renom­miertesten Preis der Welt, den Nobelpreis, so lag der Anteil an Preisträgerinnen seit dem Jahr 2000 in den naturwissenschaftlichen Fächern gerade einmal bei 7,3 Prozent. Die Relevanz des Gender Award Gap ergibt sich daraus, dass Preise eine wichtige Form der Anerkennung und auch der Sichtbar­machung von Wissenschaftler:innen sind. Es wird vermutet, dass unter anderem die Unsichtbarkeit von Medizinerinnen der mittleren Karrierestufe zur Ungleichheit der Geschlechter in höheren Karrierestufen führt.

Preise bedingen auch weitere Belohnungen, wie etwa weitere Preise, Forschungsmittel oder gar Berufungen. Amerikanische und kanadische Studien haben gezeigt, dass Frauen auch in der Medizin im Vergleich zu Männern weniger häufig Preise und auch weniger renommierte Preise erhalten. Bisher liegen entsprechende Daten aus Deutschland noch nicht vor.

Erforschung des Gender Award Gap

Unser Forschungsprojekt „Gender Award Gap – (Un-)Sichtbarkeit von Frauen in den Anerkennungskulturen der Medizin“ soll erstmals untersuchen, ob es einen Gender Award Gap auch in Deutschland zu beobachten gibt. Hierzu erfassen wir die Preise aller AWMF-gelisteten Fachgesellschaften samt diverser Charakteristika, darunter Preiskategorie, Dotierung und Prestige. So möchten wir herausfinden, ob und inwiefern Frauen in der Medizin unterschiedlich häufig Preise erhalten oder unterschiedliche Preis-Arten. Weiterhin untersuchen wir, inwiefern Akteur:innen das Problem wahrnehmen. Hierzu befragen wir Mitglieder medizinischer Fachgesellschaften – auch solche, die selbst Einfluss auf Preisvergaben haben – zur Wahrnehmung der Rolle und Funktion von Preisen für die Karriere und zu Faktoren, die entscheiden, wer einen Preis erhält.

Die erste Analyse der über 1200 erfassten Preise zeigt auf, dass die Kluft zwischen Männern und Frauen vor allem in den letzten fünf Jahren deutlich kleiner geworden ist. Dennoch erhalten Frauen weiterhin weniger Preise für ihr Lebenswerk, weniger renommierte und weniger hoch dotierte Preise.

Aktiv zur Bewerbung auffordern

Um das Ausmaß einer strukturellen Benachteiligung überhaupt zu entdecken, raten wir medizinischen Fachgesellschaften, selbst Daten zu erheben: Wie sieht das eigene Verhältnis von Männern und Frauen bei Preisvergaben, in Preisjurys, aber auch bei Preisbewerbungen aus? Gegebenenfalls sollten entsprechend mehr Frauen in Preisjurys eingeladen und zu Preisbewerbungen aktiv aufgefordert werden.

Ein weiterer Ansatz ist die Benennung von Preisen nach renommierten Frauen im jeweiligen Fachgebiet oder eine neu­trale Benennung wie beispielsweise Habilitationspreis, Dissertationspreis. Auch standardisierte und transparente Bewerbungs- und Vergabeverfahren sollten hier diskutiert werden.

Annegret Dreher, M.Sc., ist Epidemiologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin am Centre for Health and Society (chs) der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und forscht zum Gender Award Gap und der Sichtbarkeit von Frauen in der Medizin. Thorsten Halling, M.A., ist Historiker und wissenschaft­licher Mitarbeiter am Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin am chs und erforscht Anerkennungskulturen in den Wissenschaften. Mehr zum Projekt: www.genderawardgap.hhu.de

E-Mail: annegret.dreher@med.uni-duesseldorf.de
Mehr zum Thema