„Wir haben einen viel intensiveren Austausch als andere Oberärztinnen und Oberärzte“

Dr. med. Eva Maria Zeidler und Dr. med. Katharina Röher teilen sich eine oberärztliche Stelle in der Klinik für Anästhesiologie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). In dieser Führungs­ebene ist es nicht mehr vollkommen exotisch, sich die Position zu teilen, doch üblich ist es noch lange nicht. Was muss zusammentreffen, damit so ein Modell – auch mit Blick auf die weitere berufliche Entwicklung – gelingt?

OP-Bereich: Die beiden Oberärztinnen leiten ihn gemeinsam
Foto: © UKE
Es begann mit einer Zwickmühle, die viele Ärztinnen kennen: Dr. med. Katharina Röher war bereits seit 2013 Oberärztin im UKE, als sie ihre Familienpläne umsetzte: Mitte 2020 bekommt sie einen Sohn, nimmt sieben Monate Elternzeit, kehrt Vollzeit zurück und stellt fest: Das ist nicht optimal. Sie fragt sich, soll es das gewesen sein? Kind oder Karriere, beides geht nicht? Dr. med. Eva Maria Zeidler erlebt zu der Zeit Ähnliches. Sie ist seit April 2018 Oberärztin und hat eine Tochter.

Individuelles Konzept als Voraussetzung

Auf die Idee, sich eine oberärztliche Stelle im Topsharing zu teilen, bringt sie eine Kollegin. „In der Gynäkologie und Pädia­trie gab es Teilzeitstellen für Oberärztinnen und Oberärzte“, berichtet Eva Maria Zeidler. „In der Anästhesiologie bestehen eigene Voraussetzungen, so dass man andere Modelle nicht vergleichen und einfach übertragen kann.“ Die beiden Oberärztinnen entwickeln daher ein Konzept, das genau auf die Anforderungen zugeschnitten ist, welche in der Klinik relevant sind.

Sie teilen sich die volle Stelle 50 zu 50 – mit je 24 Stunden Wochenarbeitszeit – und wechseln sich wochenweise ab. Das schafft Kontinuität bei der Leitung der OP-Bereiche und eröffnete zusätzlich die Möglichkeit, einen Oberarzt oder eine Oberärztin neu einzustellen, weil eine ganze Stelle frei wurde. „Der organisatorische Aufwand ist bei diesem Modell geringer“, erklärt Eva Maria Zeidler, „als wenn man eine 80-Prozent-Stelle einrichtet, für die man an einem Tag in der Woche eine weitere Person benötigt.“

Unterstützung vom Team

Karriere und Kind: Dr. med. Eva Maria Zeidler
Foto: © UKE
Das Konzept findet Anklang bei der Leitung und erfährt Rückhalt aus dem Team, was die Entscheidung für alle leichter macht. Eva Maria Zeidler sagt dazu: „Das Modell wurde sehr gut im Team angenommen, zum Teil sogar als längst überfällig begrüßt. Alle waren sehr unterstützend, insbesondere auch unser Personal-Oberarzt, der bei der Dienstplanung sehr darauf bedacht war und immer noch bedacht ist, dass uns keine Nachteile entstehen. Hierzu führen wir eine separate Exceltabelle mit den Wochenverteilungen und Abwesenheiten durch Urlaub oder Kongressteilnahmen, sodass immer ersichtlich ist, ob wir uns gegenseitig vertreten oder eine Vertretung über das Team erfolgen muss.“

Funktionierende Lösung gefunden: Dr. med. Katharina Röher
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Die beiden Anästhesistinnen betrachten ihr Arbeitsmodell für sich als Gewinn auf mehreren Ebenen. Sie können weiterhin einen OP-Bereich leiten und haben außerdem Zeit für ihre Familien. „Wir haben beide funktionierende Lösungen für die Kinderbetreuung in den Arbeitswochen gefunden, die unsere Männer einbeziehen und die diese mittragen“, sagt Eva Maria Zeidler. Zudem konstatieren sie ein hohes Maß an Arbeitszufriedenheit. Ein „abwechslungsreicher und spannender Arbeitsplatz“ bleibt ihnen erhalten. Dazu kommt ein „noch engerer fachlicher Austausch als vorher schon.“ Probleme – medizinischer oder organisatorischer Art – können sie im Zweierteam besprechen und dadurch gegebenenfalls anders bewerten und einfacher lösen als ein Mensch allein. „Frau Dr. Röher und ich haben einen viel intensiveren Austausch als andere Oberärztinnen und Oberärzte“, sagt Dr. Eva Maria Zeidler und lacht.

Bestimmte Belastungen einer gehobenen ärztlichen Position lösen sich durch Teilzeitarbeit nicht in Luft auf. In den „freien“ Wochen erledigen beide Ärztinnen Administratives, das im Klinikbetrieb liegen bleibt. Doch selbst das empfinden sie als entspannter: „Die Arbeit muss erledigt werden“, sagt Eva Maria Zeidler, „aber so muss ich sie nicht abends dranhängen, wenn ich das Kind ins Bett gebracht habe, sondern kann sie in der Freiwoche erledigen, wenn es passt. Dabei schaffe ich es sogar, meine Tochter frühzeitig von der Kita abzuholen.“

Die Zukunft zusammen besprechen

Wie lange sie weiter so arbeiten möchten? Auch hier haben die beiden Ärztinnen eine Lösung geschaffen, die der Klinik Kontinuität und möglichst reibungslose Übergänge in Aussicht stellt. Sollten sie zur Vollzeit zurückkehren wollen, werden sie das ein halbes Jahr vorher ankündigen. Das bedeutet auch: Die beiden Frauen planen ihre berufliche Zukunft gemeinsam. „Wir verstehen uns so gut, für uns ist das keine Hürde“, sagt Dr. Eva Maria Zeidler.

Das Interesse an ihrem Arbeitsmodell wächst, stellen Eva Maria Zeidler und Katharina Röher fest. In Bewerbungsverfahren im UKE besteht die Möglichkeit, mit Oberärzten oder Oberärztinnen zu sprechen. Dabei erkundigen sich Bewerberinnen und Bewerber verschiedener Karrierestufen nach Optionen, ihre Aufgaben zu teilen. Nicht zuletzt, weil das UKE Jobsharing in Führungspositionen auf seiner Karriereseite thematisiert. Vereinbarkeit entpuppt sich offenbar als Faktor mit zunehmendem Gewicht im Wettbewerb um Spitzenkräfte für die Medizin.

Text: Alexandra von Knobloch
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