Beschlüsse der Mitgliederversammlung des DÄB (2005)

Beschluss Nr. 1
Volle Steuerabzugsfähigkeit der Kinderbetreuungskosten


Der Deutsche Ärztinnenbund fordert von der Regierung in der Steuergesetzgebung die volle Steuerabzugsfähigkeit der Kosten für Kinderbetreuung. Berufstätige Eltern müssen bisher bis auf den relativ geringen Betrag von 1500,- Euro Steuerabzugs-fähigkeit pro Jahr von ihrem bereits versteuerten Einkommen die gesamten Betreuungskosten ihrer Kinder während ihrer Erwerbstätigkeit finanzieren. Dies trägt nicht dazu bei, die extrem niedrige Geburtenrate in Deutschland zu erhöhen und angemessen auf die Herausforderungen der demographischen Entwicklung zu reagieren. Ein ausreichendes und qualitativ gutes Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen ist für Kinder ab 2 Monaten (Ablauf der Mutterschutzfristen) bis 10 Jahren flächendeckend zur Verfügung zu stellen und zu finanzieren. Die frühzeitige Förderung der Kinder, die Berufstätigkeit der Mütter und Väter ist im Interesse der gesamten Gesellschaft und deshalb finanziell und organisatorisch nicht fast ausschließlich denen aufzubürden, die bereit sind, Kinder zu bekommen und aufzuziehen mit allen Nachteilen, die dies speziell für die berufliche Laufbahn der Mütter nach sich zieht.


Beschluss Nr. 2
Ausbau des Angebots an Ganztagsschulen


Der DÄB fordert die Regierung und die Länder auf, zügig und flächendeckend schulische Ganztagsbetreuung einzurichten. Die vom Bund den Ländern zur Verfügung gestellten 4 Milliarden Euro sollen als Förderangebot auch tatsächlich bestehen bleiben und genutzt werden.
Das mangelhafte Angebot an Ganztagsschulen in Deutschland ist im europäischen Vergleich als rückständig anzusehen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist dadurch stark behindert und trägt dazu bei, dass Deutschland zu den Ländern mit den niedrigsten Geburtsraten zählt. Darüber hinaus kann durch pädagogisch sinnvolle und qualitativ hochwertige Ganztagsangebote der kritisierte Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungschancen weiter reduziert werden.


Beschluss Nr. 3
Betreuung für Kinder von 0-3 Jahren


Die neue Bundesregierung wird aufgefordert, einen Rechtsanspruch auf qualitativ hochwertige, ganztägige, bedarfsgerechte Betreuungsangebote für Kinder von 0 bis 3 Jahren zu schaffen.


Beschluss Nr. 4 A
Beiträge für kindererziehende Mitglieder ärztlicher Versorgungswerke auch durch den Bund


Der Deutsche Ärztinnenbund fordert die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungswerke e.V. (ABV) auf, offensiv die Bestrebungen fortzusetzen und zu intensivieren, dass Beiträge durch den Bund auch für kindererziehende Mitglieder ärztlicher Versorgungswerke übernommen werden, wie dies für Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung derzeit schon gilt.


Beschluss Nr. 4 B
Beiträge für kindererziehende Mitglieder ärztlicher Versorgungswerke auch durch den Bund


Der Deutsche Ärztinnenbund fordert die neue Bundesregierung auf, Beiträge durch den Bund auch für kindererziehende Mitglieder berufsständischer Versorgungswerke zu übernehmen, wie dies für Mitglieder der gesetzlichen Rentenversicherung derzeit schon gilt.


Beschluss Nr. 5
Informationen für kindererziehende Ärztinnen und Ärzte von den berufsständischen ärztlichen Versorgungswerken


Der Deutsche Ärztinnenbund fordert die berufsständischen ärztlichen Versorgungswerke auf, Informationen für kindererziehende Ärztinnen und Ärzte zu erstellen, die nicht oder reduziert ärztlich tätig sind.
Trotz Beschlusslage des Deutschen Ärztetages 2004 ist hier bisher zu unserer Kenntnis nichts geschehen.

Diese allgemein verständlichen Informationen sollen über die verschiedenen Optionen der Beitragszahlungen in diesen Phasen und die daraus resultierenden Konsequenzen für die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenrenten informieren. Dies setzt voraus, dass die Versorgungswerke vom Mitglied über den jeweiligen Status unterrichtet werden.


Beschluss Nr. 6
Bildung einer Bund-Länder-Kommission zur Modernisierung der Mutterschutzgesetzgebung dringend erforderlich


Der Gesetzgeber hat erwerbstätige werdende und stillende Mütter unter seinen besonderen Schutz gestellt. Das Mutterschutzgesetz und die ergänzende Mutterschutzrichtlinienverordnung, die allerdings nur für angestellte Arbeit-nehmerinnen gelten, sollen den Schutz vor arbeitsbedingten Gesundheits-gefahren für Mutter und Kind gewährleisten. Das Mutterschutzgesetz bedarf einer grundlegenden Novellierung. Dringend ist die Anpassung der Mutterschutzricht-linienverordnung und der daraus abgeleiteten Leitfäden zum Mutterschutz der jeweiligen Landesarbeitsschutzbehörden an die neuesten wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnisse. Zielsetzung ist, dass der an sich sinnvolle Mutterschutz nicht faktisch zu einem Berufsverbot führt.

Die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes und die strengen Auslegungen der Landesämter für Arbeitsschutz, wie insbesondere mancher Arbeitsschutzbehörde, grenzen die Arbeitsmöglichkeiten schwangerer angestellter Ärztinnen – aber auch anderer Frauen im Gesundheitswesen, wie Arzthelferinnen, Krankenschwestern und Hebammen – durch Beschäftigungsverbote in nahezu allen Bereichen von Klinik und Praxis dramatisch ein. Dies bedeutet für eine schwangere Ärztin, dass eine geregelte Tätigkeit und Weiterbildung nahezu ausgeschlossen ist. Sichtbar wird es auch daran, dass 35 % der Ärztinnen – gegenüber 19,3 % der Ärzte – keine Gebietsbezeichnung erlangt haben. die Konsequenz hieraus ist wiederum, dass für diese Ärztinnen eine Niederlassung praktisch ausgeschlossen ist. Hinzu kommt die Befürchtung der ärztlichen Leitung in Kliniken, dass durch übertriebene Tätigkeitsverbote für Schwangere die anfallenden Aufgaben nur unter maximaler Belastung der verbleibenden Ärztinnen und Ärzte gesichert werden können. Die gesetzlichen Vorgaben sind in vielen Punkten kontraproduktiv – insbesondere auch vor dem Hintergrund, Überregulierungen am Arbeitsplatz abzubauen, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken.

Der Gesetzgeber hat in der Bundestags-Drucksache 14/8525 vom 13.03.2002 eine grundsätzliche Überarbeitung der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote in der nächsten, d.h. nunmehr laufenden Legislaturperiode in Aussicht gestellt.

Der Deutsche Ärztinnenbund setzt sich ausdrücklich für den Erhalt eines sinnvollen Mutterschutzes ein, lehnt aber einen Mutterschutz, der einem Berufsverbot für Ärztinnen und für Frauen anderer Berufsgruppen im Gesundheitswesen gleichkommt, strikt ab. Unbestritten ist eine Novellierung der Mutterschutzbestimmungen notwendig. Daher appelliert die Mitgliederversammlung

- an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Mutterschutzgesetz zu novellieren und insbesondere die im Jahre 2002 vom Bundestag angekündigte Überarbeitung der mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbote für bestimmte Berufsgruppen, insbesondere für Frauen, welche im Gesundheitswesen tätig sind, auch tatsächlich anzugehen.
- an das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und an das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) sowie die nachgeordneten Landesbehören, zügig eine Bund-Länder-Initiative unter dem Vorsitz des BMFSFJ zu gründen, mit dem Ziel, die Mutterschutzrichtlinienverordnung zu novellieren sowie einen Leitfaden/Durchführungshinweis zum Mutterschutz im Krankenhaus und in der Arztpraxis zu erarbeiten, welcher an die neuesten wissenschaftlich-medizinischen Erkenntnisse angepasst ist. Dies soll unter dem Gesichtspunkt: „Mutterschutz soviel wie nötig und Tätigkeitsverbot so wenig wie möglich“ geschehen.


Beschluss Nr. 7
Teilung von Kassenarztsitzen


Der DÄB fordert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Kassen-ärztlichen Vereinigungen (KV) der Länder auf, sich verstärkt um familienfreundliche Arbeitsbedingungen auch in der Niederlassung einzusetzen. Eine der Möglichkeiten ist die Teilung von Kassenarztsitzen.
Damit auch in Zukunft alle freiwerdenden Arztsitze wiederbesetzt werden können, ist es erforderlich zu berücksichtigen, dass mehr als die Hälfte aller Berufseinsteiger inzwischen Ärztinnen sind und diese aufgrund der häufigen Mehrfachverantwortung in Beruf und Familie auf familienfreundlichere und flexiblere Bedingungen, z.B. hinsichtlich der Zulassungsverordnung für Ärzte und der Strukturen in den standespolitischen Gremien angewiesen sind.


Beschluss Nr. 8
Anstehende Reformen im Gesundheitswesen


Die zukünftige Bundesregierung und das dann zuständige Ministerium werden aufgefordert, bei den anstehenden Reformen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung von Anbeginn der Gesetzesplanung die Strategie des Gender Mainstreaming anzuwenden.


Beschluss Nr. 9
Präventionsgesetz


Die neue Bundesregierung, die zuständigen Ministerien und die Länder werden aufgefordert, unverzüglich die Beratungen zu einem Präventionsgesetz wieder aufzunehmen und hierbei dem Genderaspekt Rechnung zu tragen.


Beschluss Nr. 10
Bologna-Prozess nicht auf Medizinstudium anwendbar


Der Deutsche Ärztinnenbund fordert die Bundesregierung auf, den hohen Qualitätsstandard der in Deutschland ausgebildeten Ärztinnen und Ärzte zu erhalten.

Der Deutsche Ärztinnenbund lehnt den Bachelor als ersten berufsqualifizierenden Abschluss im Medizinstudium ab. Die hohen Qualitätsanforderungen an die medizinische Ausbildung können durch einen BA-Studiengang nicht erfüllt werden.
Die Versorgungsqualität der Bürgerinnen und Bürger würde damit in bedenklichem Ausmaß reduziert werden.


Beschluss Nr. 11
Umsetzung der Ergebnisse des sog. RambØll-Gutachtens „Ausstieg aus der kurativen ärztlichen Berufstätigkeit in Deutschland“


Die neue Bundesregierung wird aufgefordert, mit allen Kapazitäten und entsprechend aller Wahlversprechen die Schlussfolgerungen und Zielsetzungen aus dem im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums von der Unternehmensberatung RambØll erstellten Gutachten „Ausstieg aus der kurativen ärztlichen Berufstätigkeit in Deutschland“ auch tatsächlich und zeitnah umzusetzen. Speziell wird hierin wegen des wachsenden Frauenanteils im Arztberuf empfohlen: Schaffung von Strukturen zur Ermöglichung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wiedereinstiegshilfen für Frauen, die die kurative Tätigkeit aus familiären Gründen unterbrochen haben, und attraktivere Rahmenbedingungen, um Ärztinnen für die kurative Tätigkeit zu gewinnen.


Beschluss Nr. 12
Psychosomatische bzw. somatopsychische Diagnostik und Erstversorgung durch Ärztinnen und Ärzte


Die Bundesärztekammer sowie die Landesärztekammern und die Kassenärztlichen Vereinigungen werden aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass die psychosomatische bzw. somatopsychische Diagnostik und Erstversorgung in den Händen der qualifiziert behandelnden Ärztinnen und Ärzte bleibt.
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