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Buchbesprechung

Wie es ist, den eigenen Mann zu pflegen

Die Schriftstellerin Helga Schubert – Trägerin des Bachmann-Preises 2020 – hat ein sehr persönliches, auto­biografisches Buch geschrieben. Sie betreut ihren Mann, der an Demenz erkrankt ist. In kurzen Kapiteln beschreibt sie ihre Geschichte: darunter Szenen aus der DDR (der DDR-Staat als „Diktatur der Gartenzwerge“: wie treffend!) und ihre erste unglückliche Ehe. Heute ist der Lebensmittelpunkt ein abgelegenes Haus, fast einsam, in der Nähe von Schwerin, aber voll mit Büchern und Bildern, Natur und Garten.

Und die Hauptsache: das Leben mit ihrem über 90 Jahre alten und an Demenz erkrankten zweiten Mann, mit dem sie 58 Jahre zusammen ist. In dem Buch nennt sie ihn Derden, denn er ist „der, den ich liebte“. Sie liebt ihn seit ihrem ersten Zusammentreffen an der Humboldt-Universität Berlin, wo er Professor war und sie Studentin. Sie, 83 Jahre alt, pflegt ihn jetzt bis zur eigenen Erschöpfung rund um die Uhr, Stunde um Stunde.

Derden ist Maler wunderbarer Bilder und Poet (gewesen). Gedanken an Sterben und Tod kommen näher, „Lebensendgespräche“ fordern Raum und Zeit. Dies alles passiert mit Zärtlichkeit, ohne Sentimentalität, sondern mit Würde und Haltung und einer eher unauffälligen christlichen Gläubigkeit.

Doch die Pflegesituation erzeugt auch oft Verzweiflung, etwa über seine paranoiden Episoden und seine gelegentliche Aggressivität. Die Autorin, Helga Schubert, fragt sich: Worin besteht eigentlich noch mein eigenes Leben, denn unsterblich bin ich nicht. Das Buch ist offen, furchtlos und intim. Es regt zum Nachdenken an und wird manchen Lesenden vielleicht zu persönlich sein, weil die Schilderungen unter die Haut gehen. Es ist eindringlich und fast poe­tisch.

Helga Schubert: „Der heutige Tag – ein Stundenbuch der Liebe“, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN: 978-3-423-28319-9

Prof. Dr. med. Gabriele Kaczmarczyk ist DÄB Senior Consultant.

E-Mail: gabriele.kaczmarczyk@aerztinnenbund.de
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