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Lebensfreundliche Arbeitszeitmodelle

Im klinischen Alltag ist der Begriff „lebensfreundliches Arbeitszeitmodell“ für viele ein Fremdwort. Obwohl sich der Arbeitsplatz allgemein in Richtung Home Office entwickelt, finden Arbeitsroutinen, die mancherorts als modern gelten, in der Medizin bisher kaum Platz.

Wie könnten lebensfreundliche Arbeitszeitmodelle im klinischen Alltag Anwendung finden? Auf diese Frage gibt es keine Antwort, die auf alle Arbeitsplätze in der Medizin gleichermaßen passt. Hier geht es darum, Aufmerksamkeit zu schaffen.

Der Begriff meint die Anpassung der Arbeitszeit an die aktuelle, individuelle Lebenssituation für jeden Menschen. Er geht über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hinaus und umfasst auch Konzepte für altersgerechte Teilzeit.

Sich mit dem Thema Lebensarbeitszeit zu beschäftigen, kann Klarheit schaffen. Beispielsweise: Was bedeutet es für mich, wenn ich, unabhängig von familiären Verpflichtungen, feststelle, dass nicht die klassische halbe Teilzeitstelle das Richtige für mich ist, sondern eine vollzeitnahe Teilzeit mit mindestens 30 Stunden Wochenarbeitszeit? Oder: Ist es wirklich zeitgemäß, dass das klassische Teilzeitmodell in der Vorstellung vieler Menschen nur für arbeitende Mütter anerkannt ist?

Arbeiten als Tandem

Gerade im klinischen Stationsalltag erscheint es oft fast unmöglich, nicht ständig präsent zu sein: Übrig gebliebene Arbeit muss an Vollzeitarbeitende abgegeben werden. Notfallsituationen verhindern einen pünktlichen Feierabend und Zeit für Weiterbildung bleibt kaum. Gangbarer erscheint hier das Jobsharing mit einem Tandempartner oder einer Tandempartnerin: Dabei wechselt man sich wochenweise ab und arbeitet dann Vollzeit. Auch hier gilt: Ob dieses Modell ins Leben passt, ist von der familiären Situation abhängig – in diesem Fall von den Umständen zweier Menschen. Sie müssen zusammenpassen.

Auch die Option, nur bestimmte Diens­te, etwa Spät- oder Nachtdienst, zu übernehmen, kann sich eignen, um Familie und Beruf besser in Einklang zu bringen. Dabei muss ein solches Modell Dienste ermöglichen, die dem Ausbildungsstand der Arbeitnehmenden gerecht werden.

Die Technik fehlt oft

Im Vergleich zum stationären Bereich gelten die Arbeitszeiten im ambulanten Sektor allgemein als besser planbar. Aber lassen sich nicht doch einige Ansatzpunkte finden, um Privates und Berufliches auch in der Klinik besser unter einen Hut zu bekommen?

Wie steht es mit der Telemedizin? Von zu Hause aus zu praktizieren ist in Fächern wie der Radiologie schon etabliert. In anderen Bereichen ist es absolute Zukunftsmusik. Dabei gibt es sicherlich in den weitaus meisten Disziplinen der Medizin Tätigkeiten, die sich im Home Office erledigen lassen, weil sie keinen direkten Kontakt mit Patient:innen erfordern. Was hier unter anderem oft noch fehlt, ist die technische Ausstattung, um so zu arbeiten. Als junge Ärztinnen finden wir außerdem: Es ist höchste Zeit, die überkommenen Arbeitskonzepte in Kliniken zu hinterfragen – und so mehr Flexibilität zu ermöglichen. Gibt es vielleicht ein effektiveres Modell für die morgendliche gemeinsame Visite? Wann ist die Kernarbeitszeit, in der die persönliche Anwesenheit unabdingbar ist?

Neue Kommunikationskultur

Individuelle, bedürfnisorientierte Arbeitszeitmodelle zu finden, stellt eine Her­aus­forderung dar, die unbedingt eine gute Kommunikationsstruktur im Team erfordert. Sie hängt aber auch von der Führung ab. Ob die oder der Teilzeitarbeitende die gleiche Akzeptanz innerhalb des Teams mit ähnlichen Weiterbildungschancen wie Vollzeitarbeitende erlebt, hat damit zu tun, wie Vorgesetzte das Thema im Team platzieren. Seine oder ihre Haltung bestimmt den Erfolg mit. Die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Konzepte müssen natürlich diskutiert werden. Das erfordert Mut und Zeit.

Dr. med. orina Höfler ist Assistenzärztin für Innere Medizin/Kardiologie und sieht auch ihre weitere berufliche Zukunft im Krankenhaus. Am DÄB schätzt sie den Austausch. „Er inspiriert, schafft Vorbilder und Motivation für Veränderung.“

E-Mail: dorina.hoefler@gmx.de
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