Es drohen Karriere-Verzögerungen für eine ganze Generation von Studentinnen und Ärztinnen
Eine vom DÄB initiierte Umfrage mit 790 Teilnehmerinnen hat nun bestätigt, was sich durch unzählige Einzelfallberichte bereits abzeichnete: Das 2018 novellierte Mutterschutzgesetz bremst Ärztinnen und Medizinstudentinnen aus, die schwanger werden. Der DÄB appelliert an den Ausschuss Mutterschutz des Bundes, endlich praxistaugliche Lösungen zu erarbeiten.
Eigentlich sollte das aktuelle Mutterschutzgesetz es schwangeren Frauen erleichtern, in einem geschützten Rahmen weiter zu arbeiten. Dieses Ziel hat die Novelle jedoch verfehlt. Tatsächlich hat sich die Situation von schwangeren Ärztinnen verschärft: Es gibt mehr Beschäftigungsverbote als je zuvor. Schwangere Ärztinnen dürfen größtenteils nicht mehr in patientennahen Tätigkeiten sowie im Operationssaal oder Funktionsbereichen wie der Endoskopie tätig sein. Das sind aber genau die Tätigkeiten, die für die Weiterbildung unverzichtbar sind. Als Folge verzögert sich der Abschluss der Weiterbildung und das wirkt negativ auf die folgenden Karriereschritte.
Die Karriere verzögert sich aber nicht nur bei Ärztinnen in der Weiterbildung, sondern auch bei Fach- und Oberärztinnen, die sich während der Schwangerschaft nicht weiter qualifizieren können. Seit der Novellierung sind sogar schon Medizinstudentinnen von Verzögerungen betroffen.
Strukturelle Benachteiligung
Die Ergebnisse der DÄB-Umfrage sind brisant. Angesichts des Mangels an ärztlichem Nachwuchs kann es sich die Gesellschaft nicht leisten, dass Frauen in diesem Beruf langsamer vorankommen. In der Realität sind Frauen im ärztlichen Beruf jedoch benachteiligt: Obwohl die Medizinstudierenden schon lange in der Mehrheit Frauen sind (aktuell deutlich über 60 Prozent), sind nur etwa 13 Prozent der leitenden Führungspositionen in der universitären Medizin mit Frauen besetzt. Die DÄB-Umfrage belegt nun, dass der Umgang mit Schwangeren zu den strukturellen Ursachen zählt, die so eine Ungleichheit auslösen.
Faktisch Beschäftigungsverbot
Der Grund, dass schwangere Ärztinnen nicht weiter tätig sein können, sind juristisch weit gefasste Formulierungen im aktuellen Mutterschutzgesetz, das eine Nullrisikostrategie vorsieht. Selbst eine sehr gut ausgeführte Gefährdungsbeurteilung, gewissenhaft angepasste Arbeitsbedingungen und die Einhaltung strenger Schutzmaßnahmen reichen nicht, um das Go für eine Weiterbeschäftigung zu erhalten. Um Fehler und Schadensersatzansprüche zu vermeiden, ergehen darum häufig Anordnungen, die einem Beschäftigungsverbot gleichkommen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die beaufsichtigenden Behörden bei der Bewertung von Gefährdungsbeurteilungen keineswegs einheitlich vorgehen. Ein verlässlicher Konsens wäre dringend nötig, damit Ärztinnen in Bayern nicht weiter anders behandelt werden als beispielsweise in Hessen. Insgesamt droht die Gefahr, dass Ärztinnen und Studentinnen länger abwarten, ehe sie ihre Schwangerschaft beim Arbeitgeber melden. Dies hat jedoch zur Folge, dass in dieser Zeit überhaupt kein Arbeitsschutz greift.
Schwangerschaft verbergen?
An der bundesweiten DÄB-Umfrage beteiligten sich 790 Studentinnen (n = 83) und Ärztinnen verschiedener Fachgebiete (n = 689), die nach Inkrafttreten des novellierten Mutterschutzgesetzes jedoch vor der Corona-Pandemie schwanger waren. Auch wenn diese Kohorte nicht die Gesamtzahl der Medizinstudentinnen und Ärztinnen repräsentiert, spiegelt sie doch einen klaren Trend wider.
So zeigte sich, dass 43,2 Prozent der Frauen Bedenken hatten, ihre Schwangerschaft dem Arbeitgeber zu melden. Hauptgrund: drohende Verzögerungen in der Ausbildung. Bei den Medizinstudentinnen waren es sogar 53,3 Prozent. Insgesamt zeigten die Teilnehmerinnen ihre Schwangerschaft vergleichsweise spät an: Studentinnen in der 19. Schwangerschaftswoche, Ärztinnen in der 12.
Für 16,8 Prozent der Befragten war nach Bekanntgabe der Schwangerschaft Schluss mit ihrer Tätigkeit. Sie erhielten ein Beschäftigungsverbot. Nur 7,1 Prozent konnten die ärztliche Tätigkeit unverändert weiterführen. Die große Mehrheit, 62,7 Prozent, erfuhren deutliche Einschränkungen und durften nur noch maximal 50 Prozent ihrer vorherigen Tätigkeit ausüben.
Büroarbeit zugewiesen
Bei den Medizinstudentinnen waren die Nachteile noch eklatanter: Nur 2 Prozent der Schwangeren konnten uneingeschränkt weiter studieren, wohingegen 72 Prozent die Hälfte oder mehr ihrer ärztlichen Tätigkeiten abgeben mussten.
In folgenden Bereichen waren die Einschnitte am häufigsten: direkter Patientenkontakt sowie Operieren, invasive Tätigkeiten, Endoskopien und Interventionen. Dafür erhielten die Frauen andere Aufgaben zugewiesen, hauptsächlich präoperative Aufklärung, das Schreiben von Arztbriefen, Sprechstunden und Lehrtätigkeit. Schwangere Studentinnen durften oft Kurse nicht mehr besuchen oder nicht mehr im Operationssaal zuschauen.
Ärger über generelle Verbote
In der Umfrage fanden die Teilnehmerinnen den Mutterschutz an sich sinnvoll. Was sie jedoch stört, sind undifferenzierte, generelle Verbote – etwa für Operationen, obwohl alle Schutzmaßnahmen eingehalten werden könnten. Sie gaben an, dass sie weiterhin an planbaren, aseptischen Eingriffen an nicht infektiösen Patienten beteiligt sein möchten. Alternativ wünschten sie sich vermehrt eine Rotation in nichtinvasiven Tätigkeiten wie Sonographie, Echokardiographie und Funktionsdiagnostik.
Die Daten untermauern die Dringlichkeit, das novellierte Mutterschutzgesetz vernünftig und verantwortungsvoll an die Be- dürfnisse der Betroffenen anzupassen. Dies muss zeitnah passieren, damit nicht eine gesamte Generation von Ärztinnen ins Hintertreffen gerät!
Musterlösungen vorhanden
Unser Appell geht daher an den Mutterschutzausschuss des Bundesfamilienministeriums, der nun mehr denn je in der Pflicht steht, das Gesetz zügig zu überarbeiten. Schon vorher müssen die beaufsichtigenden Behörden einen bundeseinheitlichen, vernünftigen Konsens finden, um die Ungleichbehandlung von schwangeren Ärztinnen zu verhindern. Es gibt sie ja erfreulicherweise, die Positivbeispiele von Kliniken, insbesondere im Raum Hamburg, die hocheffektiv mit den lokalen beaufsichtigenden Behörden zusammenarbeiten und so unter Sicherheitsauflagen das Weiterarbeiten und -operieren für schwangere Ärztinnen ermöglichen.
E-Mail: barbara.schmeiser@aerztinnenbund.de
Die Karriere verzögert sich aber nicht nur bei Ärztinnen in der Weiterbildung, sondern auch bei Fach- und Oberärztinnen, die sich während der Schwangerschaft nicht weiter qualifizieren können. Seit der Novellierung sind sogar schon Medizinstudentinnen von Verzögerungen betroffen.
Strukturelle Benachteiligung
Die Ergebnisse der DÄB-Umfrage sind brisant. Angesichts des Mangels an ärztlichem Nachwuchs kann es sich die Gesellschaft nicht leisten, dass Frauen in diesem Beruf langsamer vorankommen. In der Realität sind Frauen im ärztlichen Beruf jedoch benachteiligt: Obwohl die Medizinstudierenden schon lange in der Mehrheit Frauen sind (aktuell deutlich über 60 Prozent), sind nur etwa 13 Prozent der leitenden Führungspositionen in der universitären Medizin mit Frauen besetzt. Die DÄB-Umfrage belegt nun, dass der Umgang mit Schwangeren zu den strukturellen Ursachen zählt, die so eine Ungleichheit auslösen.
Faktisch Beschäftigungsverbot
Der Grund, dass schwangere Ärztinnen nicht weiter tätig sein können, sind juristisch weit gefasste Formulierungen im aktuellen Mutterschutzgesetz, das eine Nullrisikostrategie vorsieht. Selbst eine sehr gut ausgeführte Gefährdungsbeurteilung, gewissenhaft angepasste Arbeitsbedingungen und die Einhaltung strenger Schutzmaßnahmen reichen nicht, um das Go für eine Weiterbeschäftigung zu erhalten. Um Fehler und Schadensersatzansprüche zu vermeiden, ergehen darum häufig Anordnungen, die einem Beschäftigungsverbot gleichkommen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die beaufsichtigenden Behörden bei der Bewertung von Gefährdungsbeurteilungen keineswegs einheitlich vorgehen. Ein verlässlicher Konsens wäre dringend nötig, damit Ärztinnen in Bayern nicht weiter anders behandelt werden als beispielsweise in Hessen. Insgesamt droht die Gefahr, dass Ärztinnen und Studentinnen länger abwarten, ehe sie ihre Schwangerschaft beim Arbeitgeber melden. Dies hat jedoch zur Folge, dass in dieser Zeit überhaupt kein Arbeitsschutz greift.
Schwangerschaft verbergen?
An der bundesweiten DÄB-Umfrage beteiligten sich 790 Studentinnen (n = 83) und Ärztinnen verschiedener Fachgebiete (n = 689), die nach Inkrafttreten des novellierten Mutterschutzgesetzes jedoch vor der Corona-Pandemie schwanger waren. Auch wenn diese Kohorte nicht die Gesamtzahl der Medizinstudentinnen und Ärztinnen repräsentiert, spiegelt sie doch einen klaren Trend wider.
So zeigte sich, dass 43,2 Prozent der Frauen Bedenken hatten, ihre Schwangerschaft dem Arbeitgeber zu melden. Hauptgrund: drohende Verzögerungen in der Ausbildung. Bei den Medizinstudentinnen waren es sogar 53,3 Prozent. Insgesamt zeigten die Teilnehmerinnen ihre Schwangerschaft vergleichsweise spät an: Studentinnen in der 19. Schwangerschaftswoche, Ärztinnen in der 12.
Für 16,8 Prozent der Befragten war nach Bekanntgabe der Schwangerschaft Schluss mit ihrer Tätigkeit. Sie erhielten ein Beschäftigungsverbot. Nur 7,1 Prozent konnten die ärztliche Tätigkeit unverändert weiterführen. Die große Mehrheit, 62,7 Prozent, erfuhren deutliche Einschränkungen und durften nur noch maximal 50 Prozent ihrer vorherigen Tätigkeit ausüben.
Sinnvoller Schutz
Maßnahmen, die schwangere Ärztinnen und Medizinstudentinnen nützlich finden:- keine Dienste
- kein Arbeiten in der Notaufnahme/Rettungsstelle (wegen Unberechenbarkeit der Fälle)
- keine infektiösen Patient:innen
- eingeschränktes Arbeiten in der Pädiatrie je nachTitelstatus
Zweifelhafte Beschränkungen
Maßnahmen, die schwangere Ärztinnen und Medizinstudentinnen sinnlos finden:- genereller Ausschluss aus dem OP oder von invasiven Tätigkeiten
- keine Blutentnahmen (dabei ist die Verletzungsgefahr gering)
- Verbot bestimmter Kurse, etwa Präp-Kurs für Studentinnen
- Verbot von Patientenkontakt auf der Station für Studentinnen
- nur Zuschauen während Famulaturen und Praktika im Studium
Büroarbeit zugewiesen
Bei den Medizinstudentinnen waren die Nachteile noch eklatanter: Nur 2 Prozent der Schwangeren konnten uneingeschränkt weiter studieren, wohingegen 72 Prozent die Hälfte oder mehr ihrer ärztlichen Tätigkeiten abgeben mussten.
In folgenden Bereichen waren die Einschnitte am häufigsten: direkter Patientenkontakt sowie Operieren, invasive Tätigkeiten, Endoskopien und Interventionen. Dafür erhielten die Frauen andere Aufgaben zugewiesen, hauptsächlich präoperative Aufklärung, das Schreiben von Arztbriefen, Sprechstunden und Lehrtätigkeit. Schwangere Studentinnen durften oft Kurse nicht mehr besuchen oder nicht mehr im Operationssaal zuschauen.
Ärger über generelle Verbote
In der Umfrage fanden die Teilnehmerinnen den Mutterschutz an sich sinnvoll. Was sie jedoch stört, sind undifferenzierte, generelle Verbote – etwa für Operationen, obwohl alle Schutzmaßnahmen eingehalten werden könnten. Sie gaben an, dass sie weiterhin an planbaren, aseptischen Eingriffen an nicht infektiösen Patienten beteiligt sein möchten. Alternativ wünschten sie sich vermehrt eine Rotation in nichtinvasiven Tätigkeiten wie Sonographie, Echokardiographie und Funktionsdiagnostik.
Die Daten untermauern die Dringlichkeit, das novellierte Mutterschutzgesetz vernünftig und verantwortungsvoll an die Be- dürfnisse der Betroffenen anzupassen. Dies muss zeitnah passieren, damit nicht eine gesamte Generation von Ärztinnen ins Hintertreffen gerät!
Musterlösungen vorhanden
Unser Appell geht daher an den Mutterschutzausschuss des Bundesfamilienministeriums, der nun mehr denn je in der Pflicht steht, das Gesetz zügig zu überarbeiten. Schon vorher müssen die beaufsichtigenden Behörden einen bundeseinheitlichen, vernünftigen Konsens finden, um die Ungleichbehandlung von schwangeren Ärztinnen zu verhindern. Es gibt sie ja erfreulicherweise, die Positivbeispiele von Kliniken, insbesondere im Raum Hamburg, die hocheffektiv mit den lokalen beaufsichtigenden Behörden zusammenarbeiten und so unter Sicherheitsauflagen das Weiterarbeiten und -operieren für schwangere Ärztinnen ermöglichen.
E-Mail: barbara.schmeiser@aerztinnenbund.de