#MeToo in der Medizin - Was hat sich verändert?

Transkript der Aktuellen Stunde, 29.12.2018, mit freundlicher Genehmigung des WDR. Von Cosima Gill.

(Moderation). Heute trifft Cosima Gill eine Medizinstudentin und Gleichstellungsbeauftragte der Uni Münster. Berit Paul, die auch Mitglied im Deutschen Ärztinnenbund e.V. (DÄB) ist. Die Uni hat die Debatte (zu #metoo) genutzt für eine Umfrage, wer betroffen ist. Die Studie wird aktuell noch ausgewertet, aber die Studentinnen haben auch vor dem Ergebnis eine Botschaft:

(Berit Paul) #metoo in der Medizin ist ein großes Thema, weil die Machtstrukturen immer noch sehr hierarchisch aufgebaut sind und weil die Macht- und Führungsstrukturen immer noch sehr männerdominiert sind. Und weil wir es mit ganz klassischen Stereotypen und Rollenbildern zu tun haben. Als Medizinstudentin halte ich es auch immer noch aus, dass wenn ich zu einem Patienten in den Raum komme, ich ganz automatisch erstmal die Schwester bin oder die Pflegerin, der Pfleger, der mitkommt, ist halt oft der Arzt, weil das die Stereotype sind, die von einem erwartet werden.

Sind Medizinerinnen der Niedergang der Medizin?

(Berit Paul) Sexismus ist gerade auch durch die Strukturen begünstigt, dadurch dass hier immer noch sehr schwere Hierarchien sind. Zum Beispiel passiert es im OP manchmal, dass Studierende gefragt werden „Stören Deine Brüste nicht beim Operieren?“ Es passiert total oft, dass wir ein Seminar haben – und wir sind eine Gruppe von fünf Frauen und Männern - und dann kommt der Dozent rein uns sagt: ‚Aha, hier sitzt der Niedergang der Medizin, wie soll ich denn mit Ihnen Dienstpläne schreiben“ Das ignoriert halt ganz einfach, dass wir als Frauen eh nicht arbeiten und Kinder kriegen und es viel schwieriger ist, Dienstpläne zu schreiben und eine Station vernünftig zu organisieren. Die Zeiten sind doch einfach vorbei.

Insert: 27 Prozent Leitende und Oberärztinnen in Krankenhäusern, 61 Prozent Medizinstudentinnen (Stat.LaAmt 2017)

(Berit Paul) Dass das Verhältnis von weiblichen Studierenden zu Führungspositionen so auseinanderklafft, ist mit Sicherheit eine Tatsachenbeschreibung an der man auch nicht rütteln kann. Aber die Zahlen ändern sich und sie ändern sich ganz massiv und es gibt immer mehr Studentinnen, die auf den Arbeitsmarkt kommen und damit auch Ärztinnen und Ärzte, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Die Debatte zu #metoo hat an der Uni wie ein Gesprächsöffner gewirkt

(Berit Paul) Ein Jahr nach der #metoo Debatte hat sich bei uns an der Uni einiges bewegt, es war für uns wie ein Gesprächsöffner, Dinge noch einmal ganz gezielt anzusprechen.

Für 2019 wünsche ich mir, dass mehr Frauen in Professuren berufen werden, dass es mehr Solidarität unter Frauen aber auch unter Männern im Gesundheitswesen herstellt und dass man dann aufsteht und füreinander einsteht, wenn man merkt, dass der Spruch mal drüber war und hier irgendwas im Argen liegt und ich wünsche mir, dass die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner da noch klarer sind und dass betroffene Frauen sofort wissen, an wen sie sich wenden können.
Mehr zum Thema

Coloquio vom 22.04.2021:
Mutterschutzgesetz als Bumerang

Warum Mutterschaft für junge Ärztinnen immer noch einen Karriereknick bedeutet, erläuterte die Präsidentin des Deutschen Ärztinnenbundes, Dr. Christiane Groß, auf dem diesjährigen DGIM-Kongress.

Operation Karriere vom 22.04.2021:
Schwanger in der Weiterbildung

Die Familienplanung fällt für viele junge Ärztinnen in die Weiterbildungszeit. Das aktuelle Mutterschutzgesetz wird dabei für viele zum Hindernis, kritisiert der DÄB.

Medical Tribune vom 17.04.2021:
DÄB: Vernünftiger Mutterschutz, mehr Topsharing

Die Situation von Frauen im ärztlichen Beruf war Thema beim 127. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM. Dr. Christiane Groß, Präsidentin des DÄB, erläuterte, welche strukturellen Nachteile für Frauen es zu beheben gilt.

Rheinisches Ärzteblatt 4/2021:
Hilfe bei sexueller Belästigung im Job

Dr. Christiane Groß, Präsidentin des DÄB, ist Mitinitiatorin der Beratungsstelle für Betroffene sexueller Übergriffe der Ärztekammer Nordrhein. Es sei wichtig, das Erlebte mitzuteilen, erklärt sie, auch wenn es „nur“ ein verbale Belästigung war.

Buzzfeed vom 26.03.2021:
Wenn Patientinnen und Patienten sexuell belästigt werden

Was passiert, wenn Patientinnen und Patienten in der Behandlung sexuelle Belästigung oder Gewal erleben? Eine aufwendige Recherche und erschütternde Erkenntnisse. DÄB-Präsidentin Dr. Christiane Groß plädiert für ein striktes Vorgehen.

Marburger Bund Zeitung vom 26.03.2021:
Ärztinnen: Chancen im digitalen Wandel

DÄB-Mitglied Dr. Anke Diel hat eine in Deutschland einzigartige Führungsposition: Sie ist Digital-Change-Managerin am Universitätsklinikum Essen. Ein Gespräch mit ihr über die Zukunft der Medizin und die Karrierechancen von Ärztinnen.

Der niedergelassene Arzt 3/2021:
Niederlassung für Ärztinnen attraktiver gestalten

Weniger Werbung für die Anstellung, mehr Fokus auf die Vorteile der Selbstständigkeit, wünscht sich DÄB-Präsidentin Dr. Christiane Groß bei der Beratung junger Ärztinnen.

Ärztestellen des Deutschen Ärzteblatts vom 18.03.2021:
Karriere und Schwangerschaft: Oft Verzweiflung

Viele schwangere Ärztinnen können nicht nachvollziehen, warum sie ihre Arbeit nicht mehr machen dürfen, erklärt DÄB-Vizepräsidentin Dr. Barbara Puhahn-Schmeiser. Der DÄB will nun mit den Behörden bundeseinheitliche Standardkataloge für die erforderlichen Arbeitsplatzanpassungen erarbeiten.

ChefärzteBrief-IWW vom 08.03.2021:
„Genderwissen muss in die Lehrpläne!“

Im Interview erklärt DÄB-Vizepräsidentin Prof. Gabriele Kaczmarczyk, was Lehrpläne im Medizinstudium mit Quoten zu tun haben.

esanum vom 08.03.2021:
Wo Quoten für Ärztinnen fehlen

Die Politik muss mehr tun, um Parität in medizinischen Spitzenpositionen zu schaffen, fordert der DÄB. Ohne verbindliche Vorgaben geht nichts voran, das zeigt das bisherige Führungspositionengesetz.